Amerikanischer Pianist und Komponist zwischen moderner Klassik und Black Music, geboren am 20. Februar 1951 in Paterson, New Jersey, als Sohn des ersten afro-amerikanischen Professors an der Princetown University. An der Yale University kam er erstmals mit Jazz in Berühung. 1977 zog er nach New York, um sein Brot als Freelancer zu verdienen.
Abseits des Club-Circuits und der Regeln des Jazz suchte er seinen eigenen Weg. Erste Aufnahmen machte er Mitte der 1970er Jahre als Mitglied einer Gruppe von Marion Brown bzw. als Mitglied von Wadada Leo Smiths New Dalta Ahkri, als diese "Vista" (Impulse!, 1975) bzw. "Reflectativity" (Kabell, 1975) einspielten.
Noch in den 1970er Jahren folgte weitere Aufnahmen mit Allan Jaffe, Chico Freeman, Leroy Jenkins, George Lewis, Gerry Hemingway, Barry Altschul und James Newton. Erste eigene Aufnahmen kamen unter dem Titel "Past Lives" (Red, 1978) heraus. Es handelte sich um Soloaufnahmen, die im selben Jahr in Italien eingespielt worden waren.
Unter dem Gruppennamen Anthony Davis Quartet entstand mit Jay Hoggard (vibes), Mark Helias (b) und Ed Blackwell (dm) "Song For The Old World" (India Navigation, 1978). Mit James Newton (fl) als Co-Leader sowie mit George Lewis (tb), Rick Rozie (b) und Pheeroan Aklaff (dm) realisierte er danach "Hidden Voices" (India Navigation, 1979).
Die Gruppe nannte sich Anthony Davis/James Newton Quartet, obwohl es sich um ein Quintett handelte. Davis und Newton nahmen mit "Crystal Texts" (Moers, 1979) bei einem Auftritt in Amsterdam auch eine Duo-LP auf. "Of Blues And Dreams" (Sackville, 1979) zeigte Davis in Begleitung von Leory Jenkins (vio), Abdul Wadud (cello), Pheeroan Aklaff (dm). Diese LP enthielt zu den Quartettaufnahmen auch einen Solotrack.
Unbegleitet ist Davis auf "Lady Of The Mirrors" (India Navigation, 1980) zu hören. Im Duo spielten Anthony Davis und Jay Hoggard (vibes) "Under The Double Moon" (MPS, 1981) ein. 1981 gründete er das Ensemble Epistēmē, mit dem er improvisierte und komponierte Musik miteinander verschmolz. "Epistēmē" (Gramavision, 1981) hiess die einzige Aufnahme.
Die beteiligten Musiker waren Anthony Davis (p), Dwight Andrews (fl, picc, bcl), George Lewis (tb), Shem Guibbory (vio), Abdul Wadud (cello), Jay Hoggard (marimba, vibes, glockenspiel), Warren Smith (marimba, xylophone, vibes, glockenspiel, perc, gongs), Pheeroan Aklaff (dm, perc) sowie mit Rick Rozie (b) in einem der beiden Tracks.
Anthony Davis war neben Muhal Richard Abrams, Barry Harris und Mal Waldron einer von vier Pianisten, die am 1. November 1981 bei einem Tribute-Konzert für Thelonious Monk in Wollman Auditorium der Columbia University in New York auftraten.
Bei den Auftritten wurden die Pianisten jeweils von Steve Lacy (ss), Don Cherry (tp), Charlie Rouse (ts), Rosewell Rudd (tb) und Richard Davis (b) begleitet. Bei den Konzerten von Harris und Waldron sass Ed Blackwell an den Drums, bei jenen von Davis und Abrams war es Ben Riley.
Ein Mitschnitt der auf zwei Konzerte verteilten vier Sets wurden als "Interpretations Of Monk" (DIW, 1994) im Rahmen der "Live From Soundscape"-Reihe erst 13 Jahre später in Form einer 4-CD-Box veröffentlicht. Auf "Six Compositions: Quartet" (Antilles, 1982) hatte Davis mit Mark Helias (b) und Ed Blackwell (dm) bei einer On/Off-Aufnahmesession von Anthony Braxton (as, ss, contra-bcl) mitgewirkt.
Zu jener Zeit spielte Davis im Trio mit James Newton (fl) und Abdul Wadud (cello). Dieses nahm "I've Known Rivers" (Gramavision, 1982) und später "Trio²" (Gramavision, 1989) auf. "Variations In Dream-Time" (India Navigation, 1982) nannte sich eine Sextetteinspielung von Davis mit J.D. Parran (cl, bcl, fl), George Lewis (tb), Abdul Wadud (cello), Rick Rozie (b) und Pheeroan AkLaff (dm).
Mit Eugene Friesen (cello) an Stelle von Wadud sowie zusätzlich mit Dwight Andrews (fl), Wadada Leo Smith (tp), Dave Samuels (vibes) und Shem Guibbory (vio) nahm Anthony Davis "Hemispheres" (Gramavision, 1983) mit einer fünfteiligen Ballettmusik auf. 1982 komponierte er sein erstes Orchesterwerk "Still Waters", das vom New York Philhamonic Orchestra aufgeführt wurde.
Im Januar 1987 wurde das Werk unter der Leitung von Dwight Andrews in Septettbesetzung mit Davis (p), J.D.Parran (fl, cl), Marty Ehrlich (cl, bcl, fl), David Miller (bassoon), Shem Guibbory (vio), Abdul Wadud (cello) und Gerry Hemingway (vibes, dm, perc) für das Album "Undine" (Gramavision, 1987) eingespielt. Ergänzt wurden die Aufnahmen durch das ebenfalls rund 23-minütige Titelstück.
"Middle Passage" (Gramavision, 1984) war eine Soloaufnahme. Darauf ist Davis in drei eigenen Werken sowie mit einem Werk von Earld Howard zu hören. Bei "Return From Space (Wonder Nonfiction)" (Gramavision, 1985) handelte es sich um einen Soundtrack zwischen zeitgenössischer Musik sowie Soul- und Funkklängen, den Davis mit neun Musikerinnen und Musikern, meist solchen aus seinem Umkreis, realisiert hatte.
"The Ghost Factory" (Gramavision, 1988) bestand aus zwei Werken für Orchester und Solisten mit dem Kansas City Symphony Orchestra unter William McGlaughlin. Beim Violinkonzert "Maps" war Shem Guibbory der Solist. Dazu kam Gerry Hemingway (perc). Davis selber war Solist im Werk "Wayang No. 5" für Piano und Orchester. Pheeroan Aklaff sorgte zusätzlich für Perkussionsklänge.
Damals begann er sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, eine Oper zu schreiben. Sie hiess "X (The Life And Times Of Malcolm X)", entstand unter der Mithilfe seines Bruders Christopher Davis und seines Cousins Thulani Davis (libretto). "X" wurde 1986 in New York uraufgeführt.
Eine Schallplattenversion dieser Oper mit dem Orchestra Of St. Luke's unter William Henry Curry erschien in Form einer Doppel-CD (Gramavision, 1992). Eine weitere damals aktuelle Schallplatten-Version mit dem Boston Modern Orchestra Project, der Odyssey Opera und anderen Beteiligten kam auf einer CD (BMOP/sound, 2022) heraus.
Es folgte dazwischen als zweite Oper "Under The Double Moon" (1989), deren Handlung einem Roman von Davis erster Frau Deborah Atherton stammte und auf dem zu 90 Prozent aus Wasser bestehenden Planeten Undine spielt. "Under The Double Moon" und "Undine" hatten schon zuvor zwei Alben geheissen, auf denen Davis im Septett bzw. im Duo zu hören gewesen war.
1992 schrieb er "Tania", seine dritte Oper, in der Davis die Enführung der Millionärstochter Patty Hearst von 1974 darstellte. Die Musik erschien auf einer Doppel-CD (Koch International Classics, 2001), eingespielt von unter anderem Gerry Hemingway (dm, perc), J.D.Parran (cl) und Bertram Tureztky (b).
Die vierte Oper hiess "Amistad". Die Aufnahmen dazu erschienen auf einer Doppel-CD (New World, 2008). "Wakonda's Dream" (2007), "Lilith" (2009) und "Lear On The 2nd Floor" (2012) hiessen weitere Bühnenstücke. Dazwischen schrieb er weitere Orchesterstücke oder Werke für kleinere Besetzungen.
Auch für Theaterstücke schrieb Davis Musik. Sein Broadway-Debut gab er 1993 mit "Angels Of America" von Tony Kushner. Mit dem String Trio Of New York ging er für die Aufnahmen des Albums "Ellington/Monk/Mingus/Davis" (Music & Arts, 1997) ins Studio. Mit Jason Robinson (as, ss, ts, fl) nahm er die Duo-CD "Cerulean Landscape" (Clean Feed, 2010) auf. Schon Jahre zuvor war Davis auf "Tandem" (Accretions, 2002), einer Duo-CD von Robinson mit diversen Musikern, zu hören gewesen.
Auf "Notes From The Underground" (BMOP/Sound, 2014) fand sich eine weitere Version seines Orchesterwerkes "Waywang V", hier in einer Interpretation des Boston Modern Orchestra Projects unter Gil Rose. Solist war Earl Howard und zwar auf einem Synthesizer. Dazu kam als Gastmusiker J.D. Parran (div cl). Die CD bestand zudem aus zwei weiteren, mehrteiligen Orchesterwerken.
Solostücke der Pianisten Anthony Davis, Paul Plimley, Al Neil und John Kameel Farah wurden auf "Past Piano Present | Live at Western Front 1985 – 2015" (Western Front New Music, 2016) veröffentlicht. Eine Trioaufnahme mit Kyle Moti (b) und Kjell Nordeson (dm) hiess "Vertical Motion" (Astral Motion, 2023).
Weiter machte Davis Aufnahmen als Mitglied des David Murray Octets und des David Murray Quintets, des Golden Quartets/Quintets von Wadada Leo Smith, des Ray Anderson Quintets, der Mark Helias Group sowie der Formation Weather Clear, Track Fast von Bobby Previte. Er spielte auch auf Aufnahmen von Oliver Lake, George Lewis, Baikida Carroll, Jay Hoggard, Jamaaladeen Tacuma, Alvin Singleton, Earl Howard und anderen. 12/24