Estnischer Komponist, geboren am 11. September 1935 in Paide. Mit vierzehn Jahren schrieb er erste eigene Kompositionen. 1954 begann er ein Musikstudium. Er arbeitete als Tonmeister beim Estnischen Radio und studierte in Tallinn von 1958 bis 1963 Komposition bei Veljo Tormis und Heino Eller. Sein neoklassisches Frühwerk wurde von der Musik Schostakowitschs, Prokofjews und Bartóks beeinflusst.
Danach experimentierte er mit Schönbergs Zwölftontechnik und dem musikalischen Serialismus. Seine Musik wurde von den sowjetischen Kulturfunktionären wegen der modernen Komponierweise und ihres religiösen Gehalts als nicht systemkonform angesehen. Mit Ausnahme einiger neoklassizistischer Stücke lehnte sich Pärt in seinen frühen Werke eng an die serielle Musik an.
Dies gilt besonders für das den Opfern des Faschismus gewidmeten Stückes "Necrolog" (1960), welches die erste Zwölftonkomposition eines estnischen Komponisten darstellte. Pärt suchte danach einem neuen künstlerischen Ausdrucksweg und fand ihn ab 1962 als Student am Moskauer Konservatorium in der sogenannten Collage-Technik, in der er Klangmaterial aus den Werken anderer Komponisten entlehnte, vor allem von Johann Sebastian Bach.
Die Collage-Technik erwies sich jedoch für Pärt als Sackgasse. In den 1960er Jahren erschienen erste Schallplatten mit Werken von Pärt, zwei davon auf dem sowjetischen Staatslabel "Melodya". Weitere wichtige Werke dieser Schaffensperiode waren die "Musical sillabica" (1964) und die Sinfonie No. 1 (1964), genannt die "Polyphone".
Bis 1968 hatte er sich als freischaffender Komponist durchgesetzt und dabei die Musik für über 50 Filme geschrieben. Daneben erhielt er staatliche und private Aufträge für nichtkommerzielle Werke. Zwischen 1964 und 1971 experimentierte Pärt mit Kombinationen von serieller Musik mit aleatorisch avantgardistischen Verfahren. Dabei fand Pärt allmählich zu einer eigenen Ausdrucksform.
Anfang der 1970er Jahre trat Pärt der russisch-orthodoxen Kirche bei. Zwischen 1968 und 1976 entstand mit der 3. Sinfonie (1971) nur gerade ein Werk. In jener Zeit befasste er sich vor allem mit dem Gregorianischen Gesang, der Schule von Notre Dame und der Musik der Renaissance bzw. der klassischen Vokalpolyphonie.
Als Pärt 1976 das "Klavierstück Für Alina" präsentierte, hatte er in der langen Abgeschiedenheit seinen persönlichen Stil entwickelt. Diese neue Sprache nannte er Tintinnabuli-Stil. Tintinnabulum ist lateinisch und bedeutet Glöckchenspiel. Gemeint ist das "Klingeln" des Dreiklangs, dessen drei Töne das ganze Stück über mittönen.
Ziel dieses Stils war eine Reduktion des Klangmaterials auf das absolut Wesentliche. Kompositionstechnisch bestehen Pärts Tintinnabuli-Werke aus zwei Stimmen: Eine Stimme besteht aus einem Dur- oder Moll-Dreiklang, die zweite ist die Melodiestimme, die nicht zwingend in derselben Tonart steht wie die erste. Beide Stimmen sind durch strenge Regeln miteinander verknüpft.
1980 emigrierte Arvo Pärt auf Druck der sowjetischen Regierung mit seiner Familie nach Wien, wo er die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt. Später übersiedelte er nach Berlin. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Estlands verbringt er Teile des Jahres in seinem estnischen Landhaus.
Bekannt gemacht wurde Pärts Musik vor allem durch das Label "ECM New Series", das seit Mitte der 1980er Jahre Pärts Schaffen ausführlich auf Schallplatten dokumentiert. Die ersten Aufnahmen waren "Tabula Rasa" (1984), "Arbos" (1987), "Passio" (1988) und "Miserere" (1991), eingespielt je nach Aufnahme vom Hilliard Ensemble, Gidon Kremer (vio), Keith Jarrett (p), Alfred Schnittke (prep-p), Christopher Bowers-Broadbent (org), Thomas Demenga (cello) sowie diversen weiteren Musikerinnen, Musikern, Chören und Orchestern.
Auf "Trivium" (1992) stellte Organist Christopher Bowers-Broadbent Werke von Pärt solchen von Peter Maxwell Davies und Philip Glass gegenüber. Der Pianist Werner Bärtschi spielte auf einer anderen CD (1992) nebeneinander Werke von Pärt, Wolfgang Amadeus Mozart, Giacinto Scelsi, Ferruccio Busoni und von ihm selber. Weitere Schallplatten mit Werken von Pärt bei "ECM New Series" waren "Te Deum" (1993), "Litany" (1996), "Alina" (1999), "Orient & Occident" (2002) und "Lamentate" (2005).
Auf "Misterioso" (2006) erschienen nebeinander Werke von Pärt, Valentin Silvestrov und Galina Ustvolskaya. "In Principio" (2009), "Symphony No. 4" (2010) und "Adam's Lament" (2012) waren Aufnahmen, die ausschliesslich aus Pärt-Werken bestanden. Zum 80. Geburtstag von Pärt erschien die Doppel-CD-Compilation "Musica Selecta - A Sequence By Manfred Eicher" (2015).
"The Deer's Cry" (2016) bestand aus Kammermusik/Vokal-Werken, die das Ensemble Vox Clamantis in zwei finnischen Kirchen aufgenommen hatte. "The Symphonies" (2018) enthielt alle vier Sinfonien, die Pärt zwischen 1963 und 2008 geschrieben hatte. Für die CD wurden diese von der NFM Filharmonia Wrocławska unter Tõnu Kaljuste eingespielt. "Tractus" (2023) war eine weitere Aufnahme mit dem Estonian Philharmonic Chamber Choir und dem Tallinn Chamber Orchestra unter Tõnu Kaljuste.
Ab Mitte der 1990er Jahre wurde Pärt auch von anderen Labels entdeckt, weil die einfache, melodische Musik inzwischen über Klassikkreise hinaus populär war. Mittlerweile sind Pärt-Werke auf fast 250 Schallplatten zu finden. Mehrere davon bestehen neben Pärt-Werken auch aus solchen Lou Harrison, Henryk Górecki, Alfred Schnittke, John Tavener, Osvaldas Balakauskas, Samuel Barber, Frank Martin, Arnold Schönberg, Giya Kancheli, Veijo Tormis und anderen.
Aufnahmen, die vom Label "Naxos" veröffentlicht worden waren, wurden in Form der 6-CD-Box "The Silence Of Being: The Music Of Arvo Pärt" (Naxos, 2008) gemeinsam wiederveröffentlicht. Eine CD enthielt allerdings nur das 8:45-minütige Pärt-Stück "Fratres For Strings & Percussion". Die restlichen 15 Werke stammten von Glass, Gubaidulina, Nancarrow, Cage, Penderecki, Scelci, Riley, Ligeti und anderen. 01/24