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Faust

Aktualisiert: 19. Apr.

Deutsche Experimental Rock-Gruppe zwischen Psychedelic, Noise und Industrial, die schon Anfang der 1970er Jahre Geräuscheffekte, elektronische Klänge, sinfonische Klänge und Folk-Elemente ineinander vermischte und im Zuge des Krautrock-Revivals Ende 1990er Jahre eine Art Renaissance erlebte. Faust entstand 1969 aus dem Zusammenschluss zweier Hamburger Bands.


Von Campylognathus Zitelli kamen Werner "Zappi" Diermaier (dm, perc), Hans Joachim Irmler (org) und Arnulf Meifert (dm, vcl), von Nukleus waren es Rudolf Sosna (g, key), Jean-Hervé Peron (e-b, vcl) und Günther Wüsthoff (synth, sax). Dank dem Journalisten Uwe Nettelbeck, der als Manager beigezogen wurde, bekam Faust einen Schallplattenvertrag mit "Polydor".


Er überzeugte das Label, auf den damals dank Can und Amon Düül II bekannt gewordenen so genannten Krautrock zu setzten. Die Musiker begannen in einem ehemaligen Schulhaus in Wümme zu leben und zu arbeiten. Faust lebte als eine Art Kommune und bannte mehrere Stunden ihrer bizarren, musikalischen Experimente auf Tonband.


Die Debut-LP "Faust" (Polydor, 1971) bestand aus durchsichtigem Vinyl in einem durchsichtigem Plastikcover. Auf dem zweiten Album "So Far" (Polydor, 1972), in einer Quintettbesetzung ohne Meifert aufgenommen, wurde der Sound breiter und zugänglicher. Cover und Schallplatten waren ganz in schwarz gehalten. Zu jedem Stück wurde eine Grafik der Münchner Künstlerin Edda Köchl beigelegt.


Als der Vertrag mit dem Label "Polydor" auslief, wurde die Band von "Virgin" unter Vertrag genommen. Aus Stunden von Musik, die Faust bei Proben aufgenommen hatte, wurden die besten Passagen - zum Teil noch mit Meifurt als zweiten Schlagzeuger - auf "The Faust Tapes" (Virgin, 1973) veröffentlicht und zum Preis einer Single verkauft. Die LP wurde ein Verkaufserfolg und ebnete Faust den Weg zu einer erfolgreichen England- und Frankreich-Tournee.


Das vierte Album "Faust IV" (Virgin, 1973) hingegen war konventionell und fiel beim Publikum und bei den Kritikern durch. Diese LP war die letzte Studioaufnahme für 23 Jahre. Sie wurde später zusammen mit weiterem Material aus einer Peel-Session von 1973 sowie vorher noch nie veröffentlichten Tracks als Doppel-CD (Virgin, 2006) erstmals wieder veröffentlicht. Nachdem die Musiker ihren Wohnsitz kurze Zeit nach England verlegt hatte, löste sich die Band 1975 in Deutschland auf.


Davor war das vom Trio Sosna (synth), Peron (e-b) und Diermaier (dm) im Oktober 1972 gemeinsam mit dem amerikanischen Minimal Music-Komponisten Tony Conrad (vio) eingespielte Album "Outside The Dream Syndicate" (Caroline, 1973) erschienen. Das mit zusätzlichem Material angreicherte Album kam 1993 bei "Table Of The Elements" als CD noch einmal heraus.


2002 veröffentichte das selbe Label die Aufnahme noch einmal als "30th Anniversary Edition" und zwar auf einer Doppel-CD inklusive weiterem, bisher unveröffentlichtem Material. Mehr als 20 Jahre nach der ersten Begegnung trafen sich Faust und Tony Conrad am 17. Februar 1995 erneut. Bei einem Konzert in London war Faust in der Duo-Besetzung Peron/Diermaier dabei, während neben Conrad mit Jim O'Rourke ein zweiter Violinist auftrat. Der Konzertmitschnitt erschien erst zehn Jahre später unter dem Titel "Outside The Dream Syndicate-Alive" (Table Of The Elements, 2005).


Zwei weitere Alben spielte Faust bzw. ein Teil der damaligen Musiker während ihrer ersten Phase in den 1970er Jahren quasi als Backingband des Trios Slapp Happy - bestehend aus Peter Blegvad (g), Dagmar Krause (vcl) und Anthony Moore (g, key, vcl) - ein. Das erste Album war "Sort Of" (Polydor, 1972). Das zweite Album sollte "Casablanca Moon" (Polydor, 1973) heissen, wurde wegen des Vetos des Labels vorläufig nicht veröffentlicht.


Slapp Happy spielte deshalb die Tracks mit Faust-Mitglied Peron sowie mit anderen Musikern noch einmal neu ein. Sie wurden als "Slapp Happy" (Virgin, 1974) auf den Markt gebracht. Die Original-Aufnahmen kamen später unter dem Titel "Slapp Happy Or Slapp Happy-Acnalbasac Noom" (Recommended, 1980) erstmals heraus. Nach dem Ende von Faust kamen immer wieder Aufnahmen der Gruppe auf den Markt. Dazu gab "Recommended Records" die frühen "Polydor"-Aufnahmen neu heraus.


Aif "Munich & Elsewhere" (Recommended, 1986) und "The Last LP" (ReR Megacorp, 1988) wurde bisher unbekanntes Archivmaterial der Gruppe zugänglich gemacht. Einzig zwei Tracks von "The Last LP" waren zuvor schon in Form der 7"-Single "Faust Party 3 Extracts#2" (Recommended, 1980) erschienen. "Munich & Elsewhere" und "Last LP", kombiniert mit weiteren, bisher noch nie veröffentlichten Aufnahmen, wurden unter dem Titel "Seventy One Minutes Of Faust" (ReR Megacorp, 1988) auf einer CD zusammengefasst.


Anfang der 1990er Jahre kam es zu einer Reunion der Ur-Mitglieder Peron, Diermaier und Irmler sowie zu ausgedehnten Tourneen. Aufnahmen von Konzerten in Hamburg (1990) und in London (1992) erschienen als "The Faust Concerts, Vol. 1 und Vol. 2" (beide Table Of The Elements, 1994) auf je einer CD. Live-Material von der 1994er-Tour durch die USA mit Keiji Haino (g), Michael Morley (g), Steven Wray Lobdell (g), Jim O'Rourke (tapes) und Ferrara Brain Pan (turkish pipe) sowie Studioaufnahmen wurden von O'Rourke zum Album "Rien" (Table Of The Elements, 1994) zusammengemischt. CD und LP erschienen ganz in Silber.


1996 gründete die Gruppe das eigene "Klangbad"-Label. Darauf erschien zum 25-Jahr-Jubiläum der Band als erstes das Minialbum "Faust" (Klangbad, 1996), mit altem und neuem, neu abgemischtem Live- und Studiomaterial in limitierter Auflage. Bei der LP "London 1-3" (ReR Megacorp, 1996) handelte es sich um jene Aufnahmen, welche Faust im März 1973 für Radio BBC One gemacht hatte.


Kombiniert wurde diese Radiosession mit einem 8:35-minütigen Stück unbekannten Datums, welches allein auf der B-Seite aufgeführt war. Später wurden die Stücke der BBC-Session zusammen mit Teilen der erwähnten LPs "Munic and Elsewhere und "The Last LP" zur CD "BBC Sessions +" (ReR Megacorp, 2011) zusammengefasst.


"You Know Faust" (Klangbad, 1997) enthielt neuen Aufnahmen des Trios Irmler, Peron und Diermaier mit Thomas E. Martin (g). 1997 verliess Gründungsmitglied Jean-Hervé Peron die Gruppe. Irmler und Diermaier holten darauf Steven Wray Lodbell (g), Lars Paukstad (zither, perc) und Michael Stoll (e-b) in die Band.


In dieser neuen Besetzung entstanden "Edinburgh 1997" (Klangbad, 1997) mit Liveaufnahmen von 1997 sowie "Faust Wakes Nosferatu" (Klangbad und Think Progressive, 1997), eine Art Soundtrack zum Stummfilm von F.W. Murnau. Auf letzterer Aufnahme machte noch Thomas E. Martin (g) mit. Aus der Zeit stammt auch die DVD "Nobody Knows If It Ever Happened" (Ankst, 2007) mit Live-Aufnahmen von 1996 des Quartetts Diermaier, Irmler, Peron und Wray Lobdell.


Mit Wray Lodbell, Paukstad und Stoll sowie mit Ulrike Helmholz (vcl) spielten Diermeier und Irmler die CD "Ravvivando" (Klangbad, 1999) ein. 2000 erschien eine LP-Version mit weiteren Tracks, die auf einer 10"-EP ausgelagert wurden. Die Aufnahmen wurden zweimal Remixes unterzogen. Dave Ball von Soft Cell und Ingo Vauk mischten das ganze Album neu ab und veröffentlichten es unter dem Gruppennamen Gel und dem Titel "Faust Ravvivando Remix" (Klangbad, 2002).


Remixes der "Ravvivando"-Nummern von The Residents, Howie B, Surgeon, Funkstörung, Kreidler, Sunroof, Mathias Schaffhäuser, Gel, Sofa Surfers, Adriano Lanzi & Omar Sodano, Trilian, Dax & Pieper sowie Dead Voices On Air erschienen als "Freispiel" (Klangbad, 2001). "Ravvivando Remix" (Klangbad, 2001) hatte zudem eine CD-EP geheissen.


2000 war die 5-CD-Box "Faust 1971-73: The Wümme Years" (ReR Megacorp) mit neu abgemischten Versionen der Alben "Faust", "So Far", "The Faust Tapes" und "The 1973 BBC Sessions" sowie bisher unveröffentlichtem Material erschienen. 2001 veröffentlichte Faust über ihr "Klangbad"-Label mehr als 30 C-90-Kassetten mit Liveaufnamen aus der neueren Schaffensperioden.


"The Land Of Ukko & Rauni" (Ektro, 2000) hiess eine Doppel-CD mit Konzertaufnahmen vom April 2000 in Helsinki, aufgenomen in der neuen Quintettbesetzung. "Patchwork 1971-2002" (Klangbad und Staubgold, 2002) war ein Zusammenschnitt von Faust-Aufnahmen sämtlicher Epochen von der Gründung bis zur Veröffenlichtung dieser CD. Eine Privatpressung stellte das labellose 4-CD-Set "Abzu" (2003) dar, das im Rahmen für die Radiosendung Faust-"Day In The Life" auf dem Londoner Alternativsender "Resonance Radio" zusammengestellt wurde.


Drei der CDs enthielten Live-Tracks, rare und bislang unveröffentlichte Aufnahmen sowie Interviews mit Chris Cutler und Irmler. CD 4 bestand aus Aufnahmen von Keef Robert's Faust Redux-Projekt. "Impressions" (Klangbad, 2004) nannte sich eine DVD mit zum Teil Material aus der Ur-Zeit der Band. Das Album "Derbe, Respect, Alder" (Klangbad und Staubgold, 2004) und die vorab erschienene Non-Album-Single "Nummer 3" (Bomb Mitte, 2003) dokumentierten die Zusammenarbeit von Faust mit dem Hip Hop-Trio dälek aus Newark, New Jersey.


Ab 2002 widmeten sich die einzelnen Musiker vor allem ihren Solo-Projekten: Peron hatte mit Dada Events und Performances Art-Errorist ein eigenes Vorhaben, Diermaier bearbeitete im Rahmen seiner Firma "Offline Video Music" Ton und Bild, während Irmler sein "Klangbad"-Label und –Tonstudio weiterführte. Dennoch trat die Gruppe weiter auf.


In Form einer privaten und nur bei Diermaier erhältlichen DVD-R erschien "Authentic Life" (2005) mit Liveaufnahmen des damaligen Quintetts Steven Wray Lobdell (g), Hans Joachim Irmler (org, elect), Michael Stoll (e-b), Lars Paukstat (perc) und Werner "Zappi" Diermaier (dm, div instr) von einem Konzert in Zagreb vom April 2004.


2005 trennte sich Diermaier von Irmler und den damaligen Faust-Musikern. Diermaier tat sich mit dem früheren Faust-Musiker Jean-Hervé Peron sowie mit den Franzosen Amaury Cambuzat und Olivier Manchion zusammen, mit denen er und Peron schon Mitte der 1990er Jahre als Faust Collectif Met(z) zusammengespielt hatten. Dieses Quartett kann als Faust/Diermaier-Peron-Fraktion bezeichnet werden.


Hans-Joachim Irmler seinerseits gab Aufnahmen unter seinem eigenen Namen oder mit anderen Gruppen heraus und machte mit den letzten Musikern der ursprünglichen Faust-Formation weiter, ebenfalls als Faust. Diese Gruppe kann als Faust/Irmler-Fraktion betitelt werden.


Unter dem Titel "1971-1974" (Bureau B, 2021) wurden die Alben "Faust", "So Far", "The Faust Tapes" und "Faust IV" sowie auf einer CD-EP zwei Singles zusammengefasst. Drei weitere CD enthielten die drei Alben "Punkt.", "Momentaufnahme I" und "Momenaufnahme II" mit bisher offenbar noch nie veröffentlichtem Material. Diese drei CD wurden im Anschluss daran auch einzeln (Bureau B, 2022) auf den Markt gebracht.


"Momentaufnahme III" und "Momentaufnahme IV" (beide Bureau B, 2024) waren nicht Teil des Sets, kamen einzeln heraus und enthielten bereits veröffentlichtes Material.


Der Einsatz von Kettensägen, Metallteilen und Heugebläsen sowie die wilde Show machte Faust zu einem Vorbild für Gruppen wie Throbbing Gristle, This Heath oder Einstürzende Neubauten. 04/24

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