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Han Bennink

Holländischer Free Jazz-Schlagzeuger, Perkussionist, Mulitinstrumentalist und Bandleader, geboren am 17. April 1942 in Zaandam als Hendrikus Johannes Bennink. Er war zwar Sohn eines klassisch ausgebildeten Schlagzeugers, erlernte sein Instrument aber als Autodidakt. Er erweiterte seinen Klang immer wieder mit Alltagsgegenständen.

 

Bei Auftritten flocht er stets auch theatralische und parodistische Einlagen ein. Han Bennink war wesentlich an der Entwicklung des europäischen Free Jazz beteiligt. Erste Aufnahmen, vermutlich noch in Form von Unterhaltungsmusik oder Oltime-Jazz entstanden 1955 im Trio mit seinem Bruder Rein Bennink (cl) und mit Gerard Harms (p).



Diese finden sich zusammen mit anderen Tonbeispielen auf einer CD, die der Bennink-Biografie "De wereld als trommel" (Uitgeverij Thomas Rap, 2009) von Erik van Berg beilag. Diese CD enthielt auch ein Tonbeispiel von 1960, auf dem Bennink im Quartett mit Han Tromp (tp), Wim Ursis (bars) und Jacques Schols (b) "Summertime" spielt.

 

Die erste veröffentlichte Aufnahme mit Bennink war die 7"-EP "Undecided" (MMP, 1963) des Tony Vos Trios mit Vos (sax) und Arend Nijenhuis (b). Am 2. April 1965 begleitete er mit Ruud Jacobs (b) die beiden amerikanischen Stars Clark Terry (tp, flh) und Wes Montgomery ‎(g) bei einer Radiosession in Hilversum. Die Aufnahmen erschienen erst Jahre später unter dem Titel "VARA Radio – 1965" (Varajazz, 1988).

 

Ab 1961 bildete er mit Piet Noordijk (as), Misha Mengelberg (p) sowie Rob Langereis bzw. später mit Jacques Schols (b) das Misha Mengelberg/Piet Noordijk-Kwartet, das bei Tourneen US-Jazzmusiker wie Johnny Griffin und Lee Konitz begleitete. So waren Mengelberg, Schols und Bennink Anfang Juni 1964 Begleiter von Eric Dolphy bei zwei seiner letzten Auftritte, bevor er am 29. Juni 1964 im damaligen West-Berlin starb.

 

Studioaufnahmen des Misha Mengelberg Kwartet von 1964 mit Gary Peacock (b) als Gast sowie mit Noordijk und Bennkink erschienen später auf der LP "Driekusman Total Loss" (Varajazz, 1981). Mitte der 1960er Jahre spielte Bennink zudem an der Seite von Pim Jacob oder Paul Ruys sowie bei The Stork Town Dixie Kids.

 

Als Misja Mengelberg Quartet traten Noordijk, Mengelberg, Rob Langereis (b) und Bennink am 4. März 1966 in Amsterdam auf. Der Mitschnitt dieses Konzerts trug den irreführenden Titel "The Misja Mengelberg Quartet (As Featured At The Newport Jazz Festival 1966)" (Artone, 1966), auch wenn die vier Musiker 1964 am Newport Jazz Festival aufgetreten sein sollen. Die Aufnahmen wurden später unter anderen Titeln neu aufgelegt.

 

Als sich Misha Mengelberg und Han Bennink dem Free Jazz zuwandten, trennen sie sich 1967 von Schols und Noordijk. Sie taten sich mit Maarten Altena (b) und Willem Breuker (div sax, div cl) zu einem Quartett zusammen, von dem keine Aufnahmen erschienen. 1967 gründete Bennink mit Misha Mengelberg und Willem Breuker den Instant Composers Pool (ICP), eine lose Vereinigung der holländischen Jazz- und Improvisationsmusiker.

 

Die ICP war auch ein Label, eine Selbsthilfeorganisation, eine Agentur, eine Musikerkooperative und trat als Konzertveranstalterin auf. Daraus entstand auch das ICP Orchestra. Bennink und Breuker spielten mit "New Acoustic Swing Duo" (ICP, 1967) die erste LP des "ICP"-Labels ein. Han Bennink veröffentlichte im Laufe der Jahre noch viele weitere Duoaufnahmen (siehe Han Bennink in Duoaufnahmen).

 

Breuker kehrte dem ICP Anfang der 1970er Jahre den Rücken und zog mit dem Label "BV Haast" sein eigenes Ding durch. Bennink und Mengelberg blieben über den "ICP"-Kreis und die verschiedenen ICP-Gruppen hinaus während Jahrzehnten musikalische Partner und realisierten Aufnahmen, viele davon im Duo.

 

Das zweite Album des "ICP"-Labels hiess "Instant Composers Pool" (ICP, 1968) und zeigte Mengelberg und Bennink im Trio mit John Tchicai (as). Es bildete den Auftakt zu einer Vielzahl von weiteren Trioaufnahmen (siehe Han Bennink in Trioaufnahmen). 1968 begann seine lange Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten und Klarinettisten Peter Brötzmann.

 

Mit Evan Parker (ts), Willem Breuker (ts, bcl), Fred Van Hove (p), Buschi Niebergall und Peter Kowald (b) sowie Sven-Åke Johansson (dm) bildete er im Mai 1968 das Peter Brötzmann Octet, das live bei einem Auftritt in der "Lila Eule" in Bremen mit "Machine Gun" (Brö, 1968) eine der ersten grossorchestralen Free-Jazz-LPs aufnahm.

 

Bennink war damals auch bei anderen gross angelegten Brötzmann-Aufnahmen mit dabei, die teilweise später unter Titeln wie "Fuck de Boere" (Atavistic Unheard Music-Series, 2001), "Nipples" (Calig, 1969) und "More Nipples" (Atavistic, 2003) erschienen. Auch bei den Aufnahmen von "European Echos" (FMP, 1969), einer Free Jazz-Big Band-Aufnahme von Manfred Schoof (tp) war Bennink dabei.

 

Aus den "Machine Gun"/"Fuck de Boere"/"Nipples"-Formationen von 1968/69 kristallisierte sich Ende der 1960er Jahre mit Peter Brötzmann (ts), Fred van Hove (p) und Han Bennink (dm) ein Trio heraus (siehe Brötzmann/Van Hove/Bennink), das beginnend mit "Balls" (FMP, 1970) bis 1975 mehrere Alben herausbrachte und immer wieder mit anderen Musiker erweitert wurde.

 

Nach dem Ende des Trios machten Brötzmann und Bennink während Jahren als Duo (siehe ebenfalls Brötzmann/Van Hove/Bennink) weiter. Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre wurde Bennink zu Aufnahmen von Marion Brown, J.R. Monerose, Dexter Gordon, Gary Bartz, Lee Konitz, Charlie Mariano, Jackie McLean, Noah Howard, Willem Breuker und Don Cherry mit Krzysztof Penderecki zu Aufnahmen beigezogen.

 

Von Schlippenbach holte ihn auch in sein Globe Unity Orchestra. 1970 spielte Bennink mit Paul Bley (synth, e-p) und Annette Peacock (e-p, p, synth, vcl) die beiden Alben "Improvise" (America, 1971) und "Dual Unity" (Freedom, 1972) ein. Letzteres war eine Liveaufnahme mit zusätzlich Mario Pavone (b) und Laurence Cook als zweiten Drummer.

 

Eine Begegnung mit Steve Lacy (ss), Michel Waisvisz (synth) und Maarten Altena (b) kam als "Lumps" (ICP, 1975) heraus. Bennink und Mengelberg waren auch sonst oftmals nebeneinander zu hören, so mit Brötzmann (ts), Evan Parker (ts, ss), Peter Bennink (as, bagpipes), Paul Rutherford (tb) und Derek Bailey (g) auf "Groupcomposing" (ICP, 1978).

 

Im Quartett mit John Tchicai (as) und Derek Bailey (g) nahmen Bennink und Mengelberg "Fragments" (ICP, 1978) auf, mit Paul Rutherford (tb, euph) und Maria Schiano (as) entstand die Doppel-LP "A European Proposal (Live In Cremona)" (Horo, 1979). Ab den 1980er Jahren machten Mengelberg und Bennink mehrere Aufnahmen mit Steve Lacy (ss).

 

Auf "Regeneration" (Soul Note, 1983) mit Aufnahmen vom Juni 1982 interpretierten die drei Musiker mit Roswell Rudd (tb) und Kent Carter (b) je drei Herbie Nichols- und Monk-Nummern. Mit George Lewis (tb) und Arjen Gorter (b) als Mitmusiker machten Mengelberg, Lacy und Bennink bei der Herbie Nicols-Hommage "Change Of Season" (Soul Note, 1985) mit. 1987 trafen Mengelberg, Bennink, Lacy und Lewis auf Ernst Reijseger (cello), um "Dutch Masters" (Soul Note, 1992) aufzunehmen.

 

1988 kam es auch zu einer Zusammenarbeit mit Cecil Taylor (p), als sich dieser für mehrere Aufnahmesessions und Konzerte in Berlin aufhielt. Am 2. Juli war Bennink Teil des Cecil Taylor European Orchestra, das in Berlin die Doppel-CD "Alms/Tiergarten (Spree)" (FMP, 1989) einspielte. Acht Tage später nahmen Bennink und Taylor die Duo-CD "Spots, Circles And Fantasy" (FMP, 1989) auf.

 

In den 1980er Jahren folgten zudem weitere Aufnahmen mit Leadern wie Leo Cuypers, Ernst Reijseger, Little Willie Littlefield, Harry Miller, Pino Minafra, Sean Bergin, Andy Sheppard, Peter Kowald, Art Hodges und anderen.

 

Anthony Braxton holte Bennink und Mengelberg zusammen mit Ari Brown (ts, ss), Paul Smoker (tp, flh) und Joe Fonda (b) in sein Charlie Parker-Projekt, von dem eine gleichnamige Doppel-CD (Hat Art, 1995) mit zwei Livemitschnitten erschien. Bennink war allerdings nur auf CD 1 mit den Aufnahmen vom 21. Oktober 1993 in Zürich zu hören.

 

In den 1990er Jahren wurde Bennink zu Aufnahmen von Vic Reeves, The Ex, Enrico Rava, Eugene Chadbourne, Lawrence "Butch" Morris, Cor Fuhler, Rüdiger Carl, Daniele D'Agaro und Benny Bailey, Tobias Delius, Eric Boeren, Fred Frith und anderen geholt.

 

"Four In One" (Songlines, 2001) nannte sich eine Quartettaufnahme mit Mangelberg, Dave Douglas (tp) und Brad Jones (b). Die letzte gemeinsame Aufnahme von Bennink und Mengelberg war "Circus" (ICP, 2008), eingespielt zusammen mit Tristan Honsinger (cello), Ab Baars (ts), Alessandra Patrucco (vcl).

 

Unter dem Namen der beteiligten Musiker Michael Moore (as, cl, bcl), Alex Maguire (p), Mark Helias (b) und Han Bennink (dm) erschien "White Widow" (Ramboy, 2001). "Han Bennink" (Musica Jazz, 2004) war eine Compilation, die der italienischen Jazz-Zeitschrift "Musica Jazz" beilag.        

 

Unter dem Namen der beteiligten Musiker Paul van Kemeade (as), Ray Anderson (tb), Frank Möbus (g), Ernst Glerum (b) und Han Bennink erschien "Who Is In Charge?" (Kemo, 2011). Nur noch zu viert ohne Möbius wurde die Fortsetzung "Checking Out" (Kemo, 2016) aufgenommen. Ebenfalls unter dem Namen der beteiligten Musiker kam "Coconut" (De Platenbakkerij, 2012) mit Eric Boeren (co), Michael Moore (reeds) und  Wilbert De Joode (b) heraus.

 

In den 2000er Jahren und danach war Bennink zudem auf Aufnahmen von David Haney, Sons Of Desert, Spring Heel Jack, Ugly Beauty, Conference Call, Michiel Scheen Quartet, Giancarlo Schiaffini, Noël Akchoté, Wolter Wierbos, Paul Van Kemenade, Hans Klostermann vertreten. Er war Mitglied von Gruppen wie Ammü Quartett, Quartet-NL, und The Whammies.

 

Erste unbegleitete Aufnahmen von 1971/1972 waren auf der LP "Solo – Voor Masje" (ICP, 1974) erschienen. Im Jahr danach wurden bei einem Soloauftritt in Bremen Aufnahmen gemacht, die Jahrzehnte später unter dem Titel "Nerve Beats" (Atavistic Unheard Music Series, 2001) erstmals öffentlicht gemacht wurden.

 

"Solo - West/East" (FMP, 1979) und "Tempo Comodo" (Dat, 1982) waren weitere Aufnahmen mit unbegleiteten Solostücken. "Hazentijd" (Data Images, 2010) war eine Doku-DVD mit vielen Musikbeispielen aus Benninks Karriere.                                                              06/24

 

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