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Henri Pousseur

Belgischer Komponist und Musiktheoretiker, geboren am 23. Juni 1929 in Malmedy. Nach erstem Musikunterricht bei Herman Barg und Eugène Micha in Malmedy, studierte er von 1947 bis 1952 am Konservatorium in Lüttich. Sein Orgellehrer Pierre Froidebise führte ihn an die avantgardistische Musik heran, vor allem an die Zwölftonmusik.



Er machte ihn mit Pierre Boulez bekannt. Bereits während seines ersten Studienjahres gründete er einen Studentenchor, mit dem er regelmässig Musik des Mittelalters aufführte. Von 1949 bis 1952 war er Organist an der Kirche Saint-François des Sales in Lüttich. Nach einem Streit über serielle Musik mit dem Konservatoriums-Direktor Fernand Quinet wechselte Pousseur ans Konservatorium in Brüssel.

 

Dort machte er 1953 sein Abschlussexamen in Fugenlehre. In seiner Brüsseler Zeit fand er einen Förderer in André Souris (1899–1970), der mit ihm seine eigenen Erfahrungen teilte. Ab 1952 nahm er regelmässig an den Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt und den Donaueschinger Musiktagen teil.

 

1957 arbeitete er mit Luciano Berio und Bruno Maderna im Studio di Fonologia Musicale in Mailand und später im Studio für elektronische Musik in Köln mit Karl-Heinz Stockhausen. 1958 gründete er in Brüssel das Studio de musique électronique Apelac. Von 1963 bis 1964 unterrichtete er an der Musik-Akademie der Stadt Basel und 1966 bis 1968 an der Universität Buffalo.

 

Ab 1970 unterrichtete er an der Universität Lüttich, wo er mit Kollegen wie Pierre Bartholomée und Philippe Boesmans das Centre de recherches musicales de Wallonie (seit 2010 Centre Henri Pousseur) gründete. 1975 übernahm er die Leitung des Konservatoriums Lüttich, von dem er sich wegen seiner Differenzen mit dem Direktor damals zurückgezogen hatte.

 

Nach seinem offiziellen Ruhestand 1994 war er bis zum Sommer 1999 an der Universität Leuven beschäftigt. Er schrieb in dieser Zeit fünf neue Werke, darunter vier in Erinnerung an seinen Vorgänger Karel Goeyvaerts, gruppiert in einem grossen Zyklus für Klavier und Orchester. Neben fast 200 Partituren schrieb Pousseur auch zahlreiche Artikel und mehrere Bücher über Musik. 

 

In seinem Anton Webern verpflichteten Werk verwendete Pousseur die Mittel der Aleatorik und der elektronischen Musik. Kompositorisch nutzte er die Zwölftonmusik. Neben Orchesterwerken schrieb er Stücke für kammermusikalische Besetzung unter Verwendung von Tonband und elektronischen Instrumenten.

 

Seine Musik beschäftigte sich zudem mit Serialismus und offenen Formen. Henri Pousseur starb am 6. März 2009 im Alter von 79 Jahren in Brüssel. Sein Schaffen wurde ab Beginn der 1960er Jahren ausführlich auf Schallplatten dokumentiert. Vor allem das belgische Label "Sub Rosa" widmete ab 2000 mehrere Veröffentlichungen dem Komponisten.

 

"Liège à Paris" (Sub Rosa, 2000) enthielt ein 15-teiliges, elektro-akustisches Werk, das Luciano Berio bei Pousseur für die Eröffnung des Centre Pompidou in Paris bestellt hatte. Vier CD umfasste "8 Études Paraboliques" (Sub Rosa, 2001). Pousseur hatte das achtteilige Werk schon 1972 eingespielt.

 

Teile davon wurden von Main alias Robert Hampson, Philip Jeck, Oval alias Marcus Schmickler sowie vom Komponisten selber einem Remix unterzogen. Die vier je über 26-minütigen Neubearbeitungen kamen im selben Jahr wie das Original unter dem Titel "4 Parabolic Mixes" (Sub Rosa, 2001) auf einer Doppel-CD heraus.

 

Unter dem Titel "Musique Mixte 1966:1970" (Sub Rosa, 2006) wurden die beiden Pousseur-Werke "Crosses Of Crossed Colors" (1970) und "Jeux De Miroirs De Votre Faust" (1967) in frühen Einspielungen öffentlich gemacht. Weitere Aufnahmen bei "Sub Rosa" hiessen "Electronic Experimental And Microtonal 1953-1999" (2009), "Parabolique D'Enfer" (2011) und "Early Experimental Electronic Music 1954-72" (2016).

 

Auch andere Labels widmeten sich der Musik von Henri Pousseur. Seine Oper "Votre Faust" (1969) erschien erstmals in Form einer Triple-LP (BASF und Harmonia Mundi, 1973) und zwar in einer deutschen und in einer französisch gesungenen/gesprochenen Version. Es handelte sich dabei um eine Oper, bei der das Publikum über den Handlungsverlauf abstimmt.

 

Das Libretto stammte von Michel Butor. Zusammen mit ihm entstand auch das 16-teilige Werk "Paysages Planétaires" (2000), das sich in einer Aufnahme auf drei CD (Alga Marghen, 2004) erstreckte. Das Werk wurde von Pousseur im Auftrag des Architekten Philippe Samyn für eine 16-stündige Installation in einem riesigen, neuen Bürokomplex komponiert.                                                           12/23 

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