Schweizer Free Jazz-Pianistin geboren am 2. Juni 1941 in Schaffhausen. Ihre Eltern betrieben ein Restaurant, in dem ein Piano und manchmal auch ein Schlagzeug stand. Als 14-jährige spielte sie in einer Dixieland-Gruppe, ehe sie sich in modernere Jazzgefilde begab.
Gegen Ende der 1950er Jahre gehörte sie zur Formation The Modern Jazz Preachers. Im Rahmen des Amateur Jazz Festivals Zürich gewann sie 1960 einen Preis. Dazu arbeitete sie als Sekretärin. Nach einem Sprachaufenthalt 1961 in Bournemouth blieb sie zwei Jahre in London und nahm bei Eddie Thompson Klavierunterricht.
Zurück in Zürich gründete sie 1963 mit Uli Trepte (b) und Mani Neumeier (dm) ein Trio, das regelmässig im Zürcher Club "Africana" auftrat. Dort spielten zu jener Zeit auch Dollar Brand, die Blue Notes von Chris McGregor oder Champion Jack Dupree. Aufnahmen des Trios vom 26. Januar 1967 wurden später als "The Early Tapes" (FMP, 1978) herausgebracht.
Das Irene Schweizer Trio mit Manfred Schoof (tp, co) und Barney Wilen (ts, ss) als weitere Musiker, wagte sich damals auch mit den Indern Dewan Motihar (sitar, vcl), Keshay Sathe (tabla) und Kusum Thakur (tambura) ins Studio. Dieses musikalische Experiment erschien unter dem Titel "Jazz Meets India" (Saba, 1967). Gegen Ende der 1960er Jahre begann sie ihr Spiel in Richtung Free Jazz auszuweiten.
Ihr grösster Einfluss war Cecil Taylor, der Irene Schweizers Spiel zeitlebens beeinflusste. 1966 hatte sie den Pianisten zum ersten Mal live gesehen. An einem Jazzfestival in Frankfurt geriet sie in Kontakt mit den damals noch wenig bekannten Peter Brötzmann, Peter Kowald, Manfred Schoof und Albert Mangelsdorff.
Mit Pierre Favre (dm) und Peter Kowald (b) bildete sie zwischen 1968 und 1970 das Pierre Favre Trio. Die Arbeit dieser drei Musiker ist auf den LPs "Santana" (Pip, 1969) mit Trio-Aufnahmen vom Oktober 1968 und "Pierre Favre Quartet" (Wergo, 1970) mit Quartetaufnahmen vom November 1969 mit Evan Parker (ts, ss) als Zuzüger dokumentiert.
Schweizer, Favre, Kowald und Parker waren fünf Monate zuvor bereits Mitglieder einer Grossformation gewesen, mit der Manfred Schoof (tp) die erste europäische Free Jazz-Big Band-Aufnahme "European Echos" (FMP, 1969) eingespielt hatte. 1970 bestand die Pierre Favre Group aus Favre, Schweizer sowie Jürg Grau (tp) und Trevor Watts (as, ss).
In den 1970er Jahren nahm Schweizer regelmässig am Total Music Meeting in Berlin teil und spielte mit Alain Skidmore, Malcolm Griffith, Léon Francioli und Jerry Chardonnens in der European Jazz Unity. Es folgten weitere Konzerte und Tourneen mit Alan Skidmore, Makaya Ntshoko.
Am 30. August 1975 trat sie mit Buschi Niebergall (b), John Tchicai (as, ss, p) und Makaya Ntshoko (dm) am Jazzfestival Willisau auf. Dieser Auftritt erschien als "Willi The Pig" (Willisau Live, 1976) auf einer auf 500 Stück limitierten LP, die später im Rahmen der "Unheard Music Series" von "Atavistic" 2000 wiederveröffentlicht wurde. Ab Anfang der 1970er Jahre begann eine lange Zusammenarbeit mit dem Multiinstrumentalisten Rüdiger Carl (siehe Rüdiger Carl & Irene Schweizer).
Mit Musikerinnen wie Lindsay Cooper (ss, oboe, basson), Georgie Born (b), Anne-Marie Roeflofs (tb, vio) und Maggie Nicols (vcl) engagierte sich Irene Schweizer ab Mitte der 1970er Jahre stark für die Sache der Frau im (Free) Jazz. Sie war Mitglied der Feminist Improvising Group, die ausschliesslich aus Frauen bestand und zwischen 1977 und 1981 in diversen Besetzungen aktiv war.
1978 war Irene Schweizer mit Born und Roelofs Gast der Art Rock-Gruppe Henry Cow, als diese ihr letztes Album "Western Culture" (Broadcast, 1979) einspielte. Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre nahm Schweizer auch regelmässig an den "Canaille"-Festivals teil, an denen nur Frauen spielten.
Schweizer ist auf zwei Compilations dieser Festivals zu hören: Auf "Canaille" (Intakt, 1988) mit Aufnahmen vom Oktober 1986 in Zürich fanden sich Quartettaufnahmen mit Marilyn Mazur (dm, perc, p), Anne-Marie Roelofs (tb, vio) und Co Streiff (as) sowie Quintett-Aufnahmen mit Streiff, Mariette Rouppe Van der Voors (as), Maud Sauer (oboe) und Petra Ilyes (e-b).
Dazu kam ein Trio-Track mit Mazur und Joëlle Léandre (b) sowie ein Duostück mit Mazur. Beim "Canaille 91" vom November 1991 in Frankfurt, dokumentiert auf der labellosen CD "Canaille 91" (1992), spielte Schweizer im Duo mit Michèle Buirette (acc) und im Trio mit Maggie Nicols (vcl) und Joëlle Léandre (b).
Das Trio Schweizer, Nicols und Léandre nannte sich später Les Diaboliques und gab mehrere Aufnahmen heraus. Ein Auftritt einer ad hoc-Formation mit John Tchicai (sax), Don Cherry (p-tp), Léon Francioli (b) und Pierre Favre (dm) am Jazzfestival Willisau 1980 wurde später unter dem Titel "Musical Monsters" (Intakt, 2016) auf einer CD zugänglich gemacht.
Anfang Februar 1984 trat sie mit in verschiedenen Kleinformationen am "Taktlos"-Festival in Zürich auf. Die unter dem Titel "Live At Taktlos" (Intakt, 1986) veröffentlichten Mitschnitte zeigen Irene Schweizer im Duo mit George Lewis (tb), im Trio mit Maggie Nicols (vcl) und Günter Sommer (dm, perc) bzw. mit Joelle Léandre (b) und Paul Lovens (dm, perc).
Ergänzt wurde die LP mit einem kurzen Duostück von Maggie Nicols (vcl) und Lindsay Cooper (p) ohne Schweizer. Diese erste Produktion des Labels "Intakt" überhaupt wurde 2005 als CD wiederveröffentlicht. Irene Schweizer war bei der Gründung von "Intakt" mitbeteiligt und konnte deshalb in der Folge einen Grossteil ihrer Aufnahmen dort heraus bringen.
Dies glat auch für "Paris Quartet" (Intakt, 1989) mit Quartett-Aufnahmen, die im April 1985 und April 1987 in Paris mit Joëlle Léandre (b), Yves Robert (tb) und Daunik Lazro (as) live eingespielt wurden. Auf "The Storming Of Winter Palace" (Intakt, 1988) ist Schweizer im Quintett mit George Lewis (tb), Maggie Nicols (vcl), Joëlle Léandre (b) und Günter "Baby" Sommer (dm) zu hören.
In der ersten Hälfte der 1990er Jahre arbeitete Irene Schweizer oft mit dem Komponisten, Bandleader und Bassisten Barry Guy zusammen. Auf "Elsie Joe live" (Maya, 1991) sind Irene Schweizer (p), Conrad Bauer (tb) und Barre Phillips (b) Gäste des Trios Barry Guy (b), Evan Parker (ss, ts) und Paul Lytton (dm, perc).
Im selben Jahr, 1991, schrieb Guy zum 50. Geburstag von Irene Schweizer das Stück "Theoria", das sie zusammen mit dem London Jazz Composers Orchestra aufführte und das vom Label "Intakt" für eine gleichnamige CD (1992) aufgenommen wurde.
1995 war Schweizer mit Marilyn Crispell (p) und Pierre Favre (dm) auf "Double Trouble Two" (Intakt, 1996) erneut Gastsolistin des London Jazz Composers Orchestras. "Radio Rondo/Schaffhausen Concert" (Intakt, 2009) enthielt Solo-Aufnahmen sowie in zwei Dritteln der Aufnahme ein weiteres Werk, das Barry Guy für das LCO mit Irene Schweizer als Solistin geschrieben und aufgeführt hatte.
Als Gast des Jürg Wickihalder European Quartet war sie bei den Aufnahmen von "Jump!" (Intakt, 2011) mit dabei. Wichtige Meilensteine in der Karriere von Irene Schweizer waren die Soloaufnahmen.
Die erste Soloaufnahme war "Wilde Señoritas" (FMP, 1977) und kam bei einem Auftritt am 4. November 1976 am Total Music Meeting in Berlin zu Stande. Rund ein Jahr später, im Oktober 1977, wurde ebenfalls in Berlin live und im Studio, die LP "Hexensabbath" (FMP, 1978) eingespielt. Die beiden Solo-LPs wurden 2002 von "FMP" auf einer Doppel-CD wiederveröffentlicht.
Dann vergingen fast 13 Jahre, ehe sie die nächsten Soloaufnahmen einspielen konnte. Zwischen dem 23. und dem 25. Mai 1990 nahm sie in der Alten Kirche in Boswil die beiden CDs "Piano Solo Vol. 1" und "Piano Solo Vol. 2" (beide Intakt, 1992) auf. Am selben Ort entstand am 4. April 1986 "Many And One Direction" (Intakt, 1997).
"Chicago Piano Solo" (Intakt, 2001) dokumentiert den Auftritt von Irene Schweizer vom 16. Februar 2000 im Chicagoer Club "Empty Bottle", während die CD "First Choice: Piano Solo KKL Luzern" (Intakt, 2006) im Oktober 2005 bei einem Auftritt in Luzern entstand.
Vor diesem Auftritt hatte ein Film von Gitta Gsell über Irene Schweizer Premiere, der auch als DVD unter dem Titel "Irene Schweizer" (Intakt, 2006) auf den Markt kam. Bei einem Konzert zu ihrem 70. Geburtstag wurde "To Whom It May Concern: Piano Solo Tonhalle Zurich" (Intakt, 2011) aufgenommen.
Ebenfalls wichtig waren die Duo-Aufnahmen, die sie mit diversen Schlagzeugern machte (siehe Irene Schweizer in Duoaufnahmen). Ende der 1990er Jahre hatte sie mit Omri Ziegele (sax) die Formation Schweizer Ziegel formiert, der nach mehreren Wechseln Marco Käppeli (dm) und Herbert Kramis (b) angehörten. Ziegele und Schweizer bildeten auch ein Duo.
Ziegele und Schweizer taten sich im Herbst 2005 zudem mit Makaya Ntsotis (dm) zum Where's African Trio zusammen. Von dieser Formation erschien "Can Walk On Sand" (Intakt, 2010).
Weitere Aufnahmen machte Irène Schweizer mit Joe McPhee, Jon Rose, Mario Schiano und dem Ensemble Oggimusica. In der kurzlebigen Band Unexspected Congeniality von Co Streiff spielte sie Schlagzeug. 2005 gab das "Intakt"-Label mit "Portraits" eine Art Werkschau des Schaffens von Irène Schweizer heraus.
Die Compilation enthielt bereits vorher veröffentlichten Solo-, Duo-und Trio-Aufnahmen. Dazu kam ein bis zu diesem Zeitpunkt unveröffentlichter Trio-Track von Irene Schweizer mit Fred Anderson (ts) und Hamid Drake (dm). Die CD "Live Willisau And Taktlos" (Intakt, 2007) mit Aufnahmen von Auftritten dieses Trios in Willisau und Zürich 2004 erschien erst später.
Schweizer war auch Gastmusikerin beim Trio 3 mit Oliver Lake (as), Reggie Workman (b) und Andrew Cyrille (dm), festgehalten auf der CD "Berne Concert" (Intakt, 2009). Irene Schweizer verstarb am 16. Juli 2024 nach langer Krankheit im Alter von 83 Jahren in Zürich. 08/24