Dänischer Alt-, Tenor- und Sopransaxophonist, geboren am 28. April 1936 in Kopenhagen als Sohn eines kongolesischen Vaters und einer dänischen Mutter. Er wuchs in Arhus auf und kam über seinen Bruder zum Jazz. Er spielte in diversen Bands, mit denen er bis nach Warschau tourte. In Helsinki traf Tchicai auf Archie Shepp und Bill Dixon.
Er ging im November 1962 nach New York City, wo er im Workshop Ensemble von Bill Dixon Unterschlumpf fand. Dort spielte er an der Seite von Archie Shepp, Roswell Rudd, Perry Robinson und Charles Davis. 1963 gründete er mit Archie Shepp (ts), Don Cherry (tp), Don Moore (b) und J.C. Moses (dm) die Gruppe New York Contemporary Five, von der einige wenige Aufnahmen erschienen.
Weitere Aufnahmen machte Tchicai damals mit Shepp als Leader. Mit Roswell Rudd (tb) gründete er 1964 das New York Art Quartet, das mit verschiedenen Bassisten und Schlagzeugern spielte. Kurz vor seiner Rückkehr nach Dänemark machte er bei der Session zum Album "Ascension" (Impulse!, 1965) von John Coltrane mit.
Danach wurde er zu einer der Integrationsfiguren des dänischen und europäischen Jazz und spielte mit Peter Brötzmann, Peter Kowald, Alexander von Schlippenbach, Misha Mengelberg, Han Bennink, Derek Bailey und Willem Breuker.
Er leitete zwischen 1967 und 1973 mit Cadentia Nova Danica eine Gruppe, die bis zu 30 Musiker und Musikerinnen umfasste und in wechselnden Besetzungen teilweise auch Werke junger dänischer Komponisten spielte. Von dieser Gruppe kamem die Tondokumente "Afrodisiaca" (MPS, 1969) und "August 1966 Jazzhus Montmartre" (Storyville, 2016) heraus.
Dazu war er kurz Mitglied der Jazzrock-Gruppe Burnin' Red Ivanhoe von Cadentia Nova Danica-Saxophonist Karsten Vogel und war 1969 bei Aufnahmen von John Lennon und Yoko Ono dabei, die auf "Unfinished Music No. 2: Life Withe The Lions" (Zapple, 1969) erschienen. Zur selben Zeit machte Tchicai Aufnahmen mit Musica Elettronica Viva, Roswell Rudd, George Gruntz.
"Solo" (FMP, 1977) hiess eine erste unbegleitete Aufnahme. In den 1970er und 1980er Jahren arbeitete er oft mit dem deutschen Perkussionisten und Multiinstrumentalisten Hartmut Geerken zusammen. Aufnahmen der beiden Musiker von 1977 mit lokalen Musikern erschienen später in Form der Doppel-LP "The Kabul And Teheran Tapes" (Qbico, 2009).
Duoaufnahmen von Tchicai und Geerken, ebenfalls von 1977, wurden unter dem Titel "Hindukush Serenade" (Holidays, 2014) als LP auf den Markt gebracht. Eine weitere Duo-LP von Geerken und Tchicai mit Aufnahmen von 1980 erschien unter dem Titel "Continent" (Praxis, 1981). "Cassava Balls" (Praxis, 1985) zeigt Geerken und Tchicai bei einem Konzert 1985 in Athen im Trio mit Famoudou Don Moye (dm, perc).
Die Wiederveröffentlichung (Leo - Golden Years Of New Jazz, 1999) auf CD enthielt drei weitere Stücke dieses Konzerts. Weitere Auftritte dieses Trios mit lokalen Musikern vom April 1985 in Sierra Leone, Guinea und Liberia wurden auf den LPs "The African Tapes" Volume 1 und 2" (Praxis, 1987 bzw. 1988) dokumentiert.
Die 14 Stücke sowie sechs weitere kamen später unter dem Titel "The African Tapes" (Leo – Golden Years Of New Jazz, 2001) auch auf einer Doppel-CD heraus. Die gesamten, damals mit einem professionellen Walkman gemachten Aufnahmen, wurden unter dem Titel "West Africa Tour (Sierra Leone, Liberia & Guinea), April 1985" (Sagittarius A-Star, 2012) in Form eines 4-LP-Sets veröffentlicht. Davon erschienen nur 135 Stück.
Bei einem Auftritt am 30. August 1975 am Jazzfestival Willisau mit Irène Schweizer (p), Buschi Niebergall (b) und Makaya Ntshoko (dm) war die LP "Willi The Pig: Live At The Willisau Jazz Festival" (Willisau Live, 1976) mitgeschnitten worden.
Die Aufnahmen wurden später von einem amerikanischen Label (Atavistic, 2000) im Rahmen der "Unheard Music Series" auf CD wieder veröffentlicht. Fünf Jahre später traten Tchicai und Schweizer erneut zusammen in Willisau auf. An ihrer Seite spielten Don Cherry (p-tp), Léon Francioli (b) und Pierre Favre (dm). Dieser Auftritt wurde auf der CD "Musical Monsters" (Intakt, 2016) verewigt.
"Real Tchicai" (Steeplechase, 1977) hiess dazwischen eine Trioaufnahme mit Niels-Henning Ørsted Pedersen (b) und Pierre Dørge (g). Tchicai gründete 1977 zusammen mit dem Tenorsaxophonisten Simon Spang-Hanssen die Gruppe Strange Brothers, von der die LP "John Tchicai And Strange Brothers" (FMP, 1978) erschien.
Die Aufnahmen wurden zusammen mit der LP "Put Up The Fight" (Storyville, 1987), die Tchicai ebenfalls mit dänischen Musikern eingespielt hatte, auf einer Doppel-CD (Storyville, 2012) noch einmal herausgebracht. Tchicai spielte Ende der 1970er Jahre auch mit Johnny Dyani, der sich damals kurze Zeit in Dänemark niedergelassen hatte, sowie mit Chris McGregor und dessen Brotherhood of Breath.
Mit den Brotherhood-Musikern Johnny Dyani (b) und Dudu Pukwana (as) entstand "Witchdoctor's Son" (Steeplechase, 1978). Mit Misha Mengelberg (p), Han Bennink (dm) und Derek Bailey (g) nahm Tchicai "Fragments" (ICP, 1978) auf. Dazu war Tchicai auch auf einer Aufnahme von Cecil Taylor (p) zu hören.
Es handelte sich um "Winged Serpent (Sliding Quadrants)" (Soul Note, 1985). Darauf spielen CT und Tchicai zusammen mit Jimmy Lyons (as), Tomasz Stanko und Enrico Rava (tp), Frank Wright (ts), Gunter Hampel (bars, bcl), Karen Borca (bassoon), William Parker (b), Rashid Bakr (dm) und André Martinez (dm, perc).
Mit dänischen Musiker sowie unter dem Gruppennamen The John Tchicai Group wurden "Timo's Message" (Black Saint, 1987) und "Put Up The Fight" (Storyville, 1987) aufgenommen. 1993 verbrachte Tchicai in Nordkalifornien, wo er mit Musikern der lokalen Szene verschiedene Konzerte gab. Er sollte beim "Ascension"-Tribute-Album des Rova Saxophone Quartets die Rolle John Coltrane's spielen.
Doch Tchicais Teilnahme an der Aufnahmesession scheiterte unter anderem an finanziellen Problemen mit dem Label "Black Saint". "Grandpa's Spells" (Storyville, 1993) hiess zu jener Zeit eine Quartett-Einspielung mit Misha Mengelberg (p), Peter Danstrup (b) und Gilbert Matthews (dm).
John Tchicai ist auf insgesamt fast 100 Alben als Leader oder Co-Leader vertreten. Insgesamt besitzt er bei discogs.com über 200 Einträge als Musiker. John Tchicai starb am 8. Oktober 2012 76-jährig im französischen Perpignan. Nachträglich erschienen weitere Aufnahmen. 06/24