1993 kam es in einem Umkleideraum eines Konzertlokals im Orange County, California, zu einem Treffen zwischen dem einst hoch erfolgreichen 61-jährigen Country-Sänger Johnny Cash und dem aufsteigenden, 30-jährigen Produzenten und Labelbesitzer Rick Rubin.
Rubin hatte sich bis dahin als Produzent von Hip Hop-, Metal- und Rock-Bands/Künstlern wie LL Cool J, Beastie Boys, Slayer, Public Enemy, Danzig, Red Hot Chilli Peppers und Mick Jagger einen Namen gemacht. Ein Teil der von ihm produzierten Aufnahmen, wie jene der Thrash Metal-Band Slayer erschienen auf seinem eigenen Label "American Recordings".
Cash konnte von Rubin überzeugt werden, wieder zu seinen Wurzeln zurückzukehren, zumal schon Cashs erster Produzent, Sam Phillips von "Sun Records" erwähnt hatte, dass der Gesang von Cash nur eine spartanische Begleitung erfordert. Spätere Produzenten hatten den Gesang von Cash in üppige Arrangements gepacket, was auch Cash nicht immer gefiel.
Nur begleitet von seiner akustischen Gitarre nahm Cash bei sich zu Hause in Hendersonville, Tennessee, bei Rick Rubin in Los Angeles und in einem Studio in Los Angeles Eigenkompositionen sowie Songs von Nick Lowe, Leonard Cohen, Tom Waits und Glenn Danzig auf. Diese erschienen auf dem Album "American Recordings" (American, 1994). Das Album bescherte Cash mit Platz 23 in den Country-Charts wieder einmal einen kleinen Achtungserfolg.
Zuletzt hatte 1981 ein Studioalbum von Johnny Cash so hoch in den Charts gestanden. Damit wurde Cash zu einem Geheimtip in der Alternative Rock-Szene. Nach dem selben Strickmuster, aber wieder mit grösseren Begleitgruppen entstanden die nächsten Cash/Rubin-Alben. "American II: Unchained" (American, 1996) enthielt Coverversionen von Beck, Tom Petty, Chris Cornell und anderen, eingespielt mit Tom Petty & The Heartbreakers.
Dazu kamen Gastmusiker wie wie Lindsey Buckingham (g) und Mick Fleetwood (dm) von Fleetwood Mac, Flea (e-b) von den Red Hot Chilli Peppers oder Marty Stuart (g). Mit Platz 26 schnitt das Album etwas weniger gut ab. Der dritte Teil hiess "American III: Solitary Man" (American, 2000) und zeigte Cash in Begleitung von June Carter Cash (vcl), Sheryl Crow (vcl, acc), Merle Haggard (g, vcl), Will Oldham (vcl), Tom Petty (g, vcl) und anderen.
Mit Platz 11 verpasste Cash die Top-10 der US-Country-Charts nur knapp. "American IV: The Man Comes Around" (American, 2002) hiess Cash letztes Studioalbum, das zu seinen Lebzeiten erschien. Er hatte es mit Hilfe von Don Henley (dm, key, vcl) von den Eagles, Billy Preston (p, key), Nick Cave (vcl) und anderen eingespielt. Es war wieder einmal ein Millionenseller und kletterte bis auf Platz 2 der amerikanischen Country-Charts sowie auf Platz 11 der Billboard 200.
Johnny Carter starb am 12. September 2003 im Alter von 71 Jahren im Baptist Hospital in Nashville an Lungenversagen. Zwei Monate nach seinem Tod erschien die Fünf-CD-Box "Unearthed" (American, 2003) mit grösstenteils bisher unveröffentlichten Songs aus der "American Recordings"-Zeit. Die einzelnen CDs trugen die Titel "Who's Gonna Cry", "Trouble In Mind", "Redemption Songs", "My Mother's Hymn Book" und "The Best Of Cash On American".
Die ersten drei Alben bestanden aus Outtakes und Alternate Versions der "American Recording"-Sessions. CD 4 enthielt Gospel-Songs, die Cash als Kind von seiner Mutter lernte. CD 5 war eine "Best Of"-CD der ersten vier "American Recordings". Trotz seines Umfangs und seines Preises stand "Unearthed" auf Platz 33 der US-Country-Charts. Damit war das Archiv der "American"-Aufnahmen noch nicht erschöpft.
Weitere Songs, die Cash zwischen Mai und August 2003 aufgenommen hatten, kamen unter dem Titel "American V: A Hundred Highways" (2006) heraus. Darauf fanden sich Songs von Bruce Springsteen, Gordon Lightfoot, Hank Williams und anderen. "American V" war postum Cashs zweites Nummer-1-Album in den Billboard 200, 37 Jahre nach "At San Quentin" von 1969.
"American VI: Ain't No Grave" (2010) markierte den Schlusspukt der "American Recordings"-Aufnahme von Johnny Cash. Die Aufnahmen stammten ebenfalls aus den letzten vier Monaten, in denen Cash vor seinem Tod noch tätig war. Mit den Plätzen 2 bei den Country-Alben und 3 bei den Billboard 200 war "VI" erneut ein äusserst erfolgreiches Album. 01/24