Amerikanischer Jazz-Trompeter, Flügelhornspieler, Komponist und Bandleader, geboren am 11. Oktober 1941 in Frederick, Maryland. Er wuchs in Little Rock, Arkansas, und St. Louis, Missouri, auf. Auch sein 12 Jahre jüngerer Bruder, der Posaunist Joseph Bowie war Jazzmusiker und machte sich als Leader der Band Defunkt einen Namen.
Lester Bowie erbte das musikalische Talent von seinem Vater W. Lester Bowie senior, der Direktor einer High School Band in Arkansas war, sowie von seinem Grossvater Columbus Bowie. Seine erste eigene Band nannte sich 1954 The Continentals.
Seine ersten Auftritte hatte er als Begleitmusiker in Doo-Wop-Bands. Bowie studierte an der Lincoln University in St. Louis und an der North Texas State University in Dallas. Dort spielte er mit James Clay, Billy Harper, David Newman, Oliver Lake, Joe Tex und Jimmy Forrest.
Während des Militärdienstes bei der Luftwaffe in Texas in den Jahren 1958 bis 1960 trat er in Nachtclubs auf und spielte in Army- und R&B-Bands, Er musste aber wegen eines Streits mit Schüssen für einige Zeit ins Gefängnis.
Anfang der 1960er Jahre gehörte er diversen R&B-Bands an, jenen von Little Milton oder Albert King, die im Süden und Mittleren Westen der USA auf Tournee waren. Damals trat er unter anderem mit seiner späteren Frau, der Sängerin Fontella Bass auf, die Sängerin in der Band von Oliver Sein war.
Er spielte in dieser Zeit auch mit Zirkusbands und wirkte 1964/65 als Studiomusiker bei R&B-Aufnahmen des Labels "Chess" mit. Um 1964 kehrte er nach St. Louis zurück, wo er mit dem Schlagzeuger Phillip Wilson eine Hardbop-Formation leitete. 1966 zog er nach Chicago, wo eines der Gründungsmitglieder des Association For The Advancement Of Creative Musicians (AACM) wurde.
In Chicago gehörte Bowie dem Roscoe Mitchell Sextett an, das in der Besetzung Roscoe Mitchell (as, cl, recorder), Maurice McIntyre (ts), Lester Bowie (tp, flh, hca), Lester Lashley (tb, cello), Malachi Favors (b) und Alvin Fielder (dm, perc) mit "Sound" (Delmark, 1966) das erste Album einer AACM-Formation aufnahm.
Aus dem Roscoe Mitchell Sextet wurde das Roscoe Mitchell Art Ensemble, bestehend aus Mitchell, Bowie, Favors und Robert Crowder oder Phillip Wilson (dm). Mit Crowder als Schlagzeuger entstand "Congliptious" (Nessa, 1968).
Zwischen Aufnahmen des Roscoe Mitchell Sextets und des Roscoe Mitchell Art Ensembles hatte Lester Bowie (tp, flh, horns) mit Hilfe von Roscoe Mitchell (as, ss, fl, cl, recorder, perc), Joseph Jarman (as, ss, cl, bassoon, bells) und Malachi Favoris (b, dazoo) sein erstes eigenes Album "1&2" (Nessa, 1967) aufgenommen.
Diese vier Musiker zogen 1969 nach Paris, wo sie fortan als Art Ensemble Of Chicago eine feste Gruppe bildeten und zu vielen Auftritten und Aufnahmen kamen. Das Art Ensemble wurde eine der langlebiges und wichtiges Gruppe der Black Music. Das Ur-Quartett wurde noch in Paris mit Don Moye (dm, div perc) zum Quintett erweitert.
1972 kehrte das Ensemble nach Chicago zurück. Weitere Aufnahmen machte Lester Bowie damals mit Archie Shepp, Melvin Jackson, Sunny Murray, Alan Silva, Jimmy Lyons, Mor Thiam, Frank Lowe, Fela Kuti, Jack DeJohnette und anderen. Ab Mitte der 1970er Jahre spielte Lester Bowie eine Reihe von weiteren Aufnahmen unter eigenem Namen ein.
Für "Fast Last!" (Muse, 1974) holte er John Stubblefield (ts), Julius Hemphill (as), Joseph Bowie (tb), John Hicks (p), Cecil McBee (b) sowie Charles Bobo Shaw, Jerome Cooper oder Phillip Wilson (dm) ins Studio. Diese Aufnahmen wurden später unter dem Titel "Hello Dolly" (Muse, 1987) noch einmal auf den Markt gebracht.
Auf "Rope-A-Dope" (Muse, 1976) war Lester Bowie in Begleitung des Art Ensembles-Rhythmusduos Malachi Favors (b) und Don Moye (dm, perc) zu hören. Dazu kamen sein Bruder Joseph Bowie (tb), Charles Bobo Shaw als zweiter Schlagzeuger und in einem Track Raymond Cheng (vio).
Für "The 5th Power" (Black Saint, 1978) holte er Arthur Blythe (as), Amina Claudine Myers (p, vcl), Malachi Favors (b) und Phillip Wilson (dm) ins Studio.In der selben Besetzung entstand für ein anderes italienisches Label die Doppel-LP "African Children" (Horo, 1978). Mit Wilson nahm Bowie die Duo-LP "Duet" (Improvising Artists Inc., 1978) auf, die auf dem Label von Paul Bley erschien.
In den frühen 1980er Jahren zog Bowie nach Brooklyn, New York City. Dort entstand das Gospel- und Blues-Projekt From The Roots To The Source mit Donald Smith (p, org), Hamiet Bluiett (bars), Fred Williams (b, e-b), Phillip Wilson (dm), Fontella Bass und David Peaston (vcl).
Von dieser Formation erschienen "From The Roots To The Source" (Soul Note, 1981), "The Great Pretender" (ECM, 1981) und "Live At The Manhattan Ocean Club" (India Navigation, 1983). Auf der Doppel-LP "All The Magic!" (ECM, 1983) und auf "Jazzbühne Berlin '82" (Repertoire, 1990) bestand das Projekt aus Ari Brown (ss, ts) an Stelle von Bluiett und aus Art Matthews (p) für Donald Smith.
Letzteres Album wurde später mit den damals noch unveröffentlichten Studioaufnahmen "Steel + Breath" von 1991 auf einer Doppel-CD (Jazzwerkstatt, 2014) (wieder) veröffentlicht. Auf "Steel + Breath" ist Lester Bowie im Trio zusammen mit William Parker (b) und Philip Wilson (dm) am Werk.
"Milan, Zurich, West Berlin, Paris: October 27, 1983 - November 1, 1983" (Transparency, 2008 bzw. 2010) hiess ein 5-CD-R/5-CD-Set mit Aufnahmen einer Black Music-Supergruppe, bestehend aus Sun Ra (p, key, vcl), Lester Bowie (tp), Don Cherry (tp, vcl), Marshall Allen (as, fl, oboe), John Gilmore (ts, vcl), Archie Shepp (ts, ss, vcl), Richard Davis (b) sowie Famoudou Don Moye und Philly Joe Jones (dm, perc).
Duoaufnahmen aus jener Zeit waren "Bugle Boy Bop" (Muse, 1983) mit Charles Bobo Shaw (dm), "Duet" (Paddle Wheel, 1985) mit Nobuyoshi Ino (b) und "Zebra" (Pan, 1986) mit Jack DeJohnette (dm). "Works" (ECM, 1988) war eine Compilation mit Tracks aus seinen "ECM"-Aufnahmen.
In New York gründete er die Formation Lester Bowie's Brass Fantasy, die in wechselnder Besetzung mehrere Alben einspielte. Anfangs 1990er Jahre kam als weitere Gruppe das New York Organ Ensemble mit Steve Turre (tb), James Carter (ts), Amina Claudine Myers (org), Don Moye (perc, dm) und Phillip Wilson (dm) dazu.
Diese Formation spielte "Funky T. Cool T." und "The Organizer" (beide DIW, 1991) ein. Die Doppel-CD "Mirage" (Camden House, 1999) war eine Compilation mit Aufnahmen von Bowie, die zwischen 1974 und 1982 entstanden und auf drei verschiedenen Alben unter seinem Namen herausgebracht worden waren.
Unter dem Titel "The Complete Remastered Recordings On Black Saint & Soul Note" (Black Saint und CamJazz, 2010) wurden das Album "The 5th Power" und die beiden The Leaders-Aufnahmen "Out Here Like This" und "Unforeseen Blessings" im Rahmen eines 3-CD-Sets wiederveröffentlicht.
The Leaders war eine Gruppe, die auf diesen beiden Alben aus Chico Freeman (ts, bcl), Arthur Blythe (as), Lester Bowie (tp), Kirk Lightsey (p), Cecil McBee (b) und Don Moye (dm, perc) bestand. Bowie war auch für kurze Zeit Mitglied der Gruppe New Directions von Jack DeJohnette. Er leitete kurz das 59köpfige Sho-Nuff Orchestra. Bei discogs.com besitzt er über 230 Credits als Musiker.
Er spielte auf Aufnahmen von Kahil El'Zabar's Ritual Trio, Leo Smith Trio, The Baden-Baden Free Jazz Orchestra, The Human Arts Ensemble, The Sun Ra All Stars, Taj Mahal, Marty Cook & The New York Sound Explosion, Kip Hanrahan, John Abercrombie, David Murray, Chicago Beau, David Bowie, The Skatelites, Defunkt, Bluesiana, Josh Roseman Unit, Harmut Geerken, Italian Instabile Orchestra und anderen.
Lester Bowie starb am 8. November 1999 58-jährig in Brooklyn, New York, City. 12/24