Im Dezember 1943 stieg der Tenorsaxophonist Lester Young so abrupt, wie er ausgestiegen war, wieder in die Count Basie Band ein. Dieses Mal war die Zusammenarbeit zwar nicht so spektakulär wie von 1936 bis 1940, hielt aber während des so genannten, kriegsbedingen "recording ban" 1942/44 an. Daher gibt es keine offiziellen Plattenaufnahmen aus dieser Zeit. 1944 verliess er Basie.
Lester Young wurde in die US-Army eingezogen. Im Gegensatz zu anderen Jazzmusikern, insbesondere diejenigen weisser Hautfarbe, liess man ihn nicht in einer Army-Band mitspielen. Stattdessen diente er als gewöhnlicher Infanterist und wurde in Fort McClelland, Alabama, zu Hilfsdiensten in einem Armeespital herangezogen. Der sensible Young konnte sich nur schwer an das Armeeleben gewöhnen.
Wegen eines Drogendeliktes - man fand bei ihm Marihuana - und eines rassistischen Zwischenfalls mit einem Major, der bei der Durchsuchung seines Spinds ein Bild von Lester Youngs Verlobten, einer Weissen, fand, wurde er vom Kriegsgericht zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, was schliesslich in ein Jahr im Armeelager Fort Gordon in Georgia umgewandelt wurde.
Die Bedingungen im Straflager waren hart, allerdings durfte er sonntags vor Offizieren spielen. Als Lester Young nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee gegen Ende 1945 wieder auf die Jazzszene der New Yorker 52nd Street zurückkehrte, fand er die Jazzwelt mitten in einem Umbruch. Bebop war angesagt. Eine neue Generation von Tenorsaxophonisten hörte seine Platten und begann, seine musikalischen Ideen zu absorbieren.
Für seine Bewunderer und Imitatoren fand Lester Young wenig Zeit. Er bevorzugte den Mainstream Jazz und hörte privat Easy Listening-Musik von Frank Sinatra. Young hatte zunächst grosse Probleme, sich musikalisch und persönlich im zivilen Leben wieder zurechtzufinden. Kurz nach seiner Rückkehr auf die Jazzszene ging Lester Young nach Südkalifornien, wo er mit Ed Mesner, Inhaber des kleinen Plattenlabels "Philo Records" (später "Aladdin Records", einen Vertrag abschloss.
Die von Leonard Feather produzierten "Aladdin"-Sessions, die zwischen Juli 1945 und Dezember 1947 stattfanden, zählen zu den bedeutendsten Aufnahmen, die Lester Young nach seiner Zeit in der Basie Band aufgenommen hatte. Sie wurden später auf der Doppel-LP "The Aladdin Sesions" (Blue Note, 1975) bzw. auf der Doppel-CD "The Complete Aladdin Recordings Of Lester Young" (Blue Note, 1995) ausführlich dokumentiert.
Im Dezember 1945 nahm Young für "Aladdin Records" auch Schallplatten mit der Sängerin Helen Humes auf, die Norman Granz produzierte. Nach den „Aladdin“-Sessions 1947 begann der gesundheitliche und künstlerische Abstieg von Lester Young. Granz holte Young auch in seine Konzertserie "Jazz At The Philharmonic" und ermöglichte ihm Aufnahmen für Labels wie "Mercury", "Clef", "Norgran" und "Verve".
Dabei wurde Young von Musikern wie Roy Eldridge, Harry Sweets Edison, Nat King Cole, John Lewis, Teddy Wilson, Hank Jones, Oscar Peterson, Freddie Green, Barney Kessel, John Ore, Ray Brown, Buddy Rich, Jo Jones und/oder J. C. Heard begleitet. Diese Sessions waren auch für Norman Granz nur noch ein schwacher Abglanz des grossen alten Prez.
Neben diesen Sessions kam es zu katastrophalen Situationen, wenn der völlig alkoholisierte Young Auftritte platzen liess, zusammenbrach oder zumindest musikalisch enttäuschte. Ein längerer Krankenhausaufenthalt ab November 1955 brachte nur eine vorübergehende Besserung seines zerrütteten gesundheitlichen Zustands. 1957 spielte er noch einmal mit dem Count Basie Orchester am Newport Jazz Festival.
Im Dezember 1957 begleitete er Billie Holiday bei einer TV-Aufzeichnung. Ab Frühling 1958 wohnte er nicht mehr in seinem Haus, sondern im Hotel Alvin direkt gegenüber dem Musikertreffpunkt "Birdland", an der Ecke 52. Strasse/Broadway. Er zeigte zwar Zeichen von Erholung und spielte im Juli 1958 in Newport mit Jack Teagarden, hatte aber immer wieder Rückfälle.
Meist war er in seinem Hotelzimmer, wo er bis zu drei Flaschen Gin am Tag trank und mit Vorliebe Sinatra-Schallplatten hörte. 1959 hielt er sich, unter anderem mit den Birdland All Stars, in Paris auf, wo er im "Blue Note-Club" einen katastrophalen Auftritt absolvierte. Lester Young kehrte völlig erschöpft nach New York zurück. Kurze Zeit später entdeckte ihn eine Freundin in seinem Hotelzimmer im Koma.
Er starb am 15. März 1959 49-jährig an Herzversagen, letztlich aber an den Folgen seiner Alkohol- und Drogenabhängigkeit und den verschiedenen Krankheiten, die in den Jahren zuvor seine Gesundheit untergraben hatten. Lester Young ist auf über 500 Schallplatten zu hören, darunter auf über 100 Alben, von denen viele nach seinem Tod veröffentlicht wurden.
Sein Werk wurde auf unzähligen Compiltations dargestellt. "The Complete 1936-1951 Small Group Sessions" (alle Blue Moon, 1993) war eine Serie von fünf Einzel-CDs, die später auch als Boxset veröffentlicht wurden. Beim Label "Masters Of Jazz" erschien ab Mitte der 1990er Jahre eine mindestens zehn Volumes umfassende Serie mit Musik von Lester Young. "The Lester Young Story" (Proper, 2001) umfasste vier CD, ebenso "Lester's Be-Bop Boogie" (Quadromania, 2005). Dazwischen wurde die Doppel-CD "The Complete Savoy Recordings" (Savoy Jazz, 2002) veröffentlicht.
"The Small Group Sessions Vol. 2–1936-1951" (Brilliant, 2007) stellte eine Triple-CD dar. Über vier CD erstreckte sich "Classic Columbia, Okeh and Vocalion: Lester Young with Count Basie (1936-1940)" (Mosaic, 2008). "The Complete Clarinet Works" (Cabu Masters Of Jazz, 2010) war eine Doppel-CD, "Seven Classics Albums" (Real Gone, 2014) und "Classic Albums Collection: 1955-1958" (Enlightenment, 2017) umfassten je vier CDs. 09/23