Französischer Komponist, geboren 5. Februar 1929 in Paris als Sohn korsischer Eltern, die als eine der ersten in ihrem Quartier einen Radio besassen. Er studierte ab 1946 am Conservatoire de Versailles. Von 1948 bis zu einer Tuberkuloseerkrankung 1950 bildete er sich an der École Normale de Musique in Paris bei Alfred Cortot (Klavier) und Arthur Honegger (Komposition) weiter.
Anfang der 1950er Jahren verfasste Ferrari Klavierstücke in Stile von Bartók und Hindemith. Damals begannen sich die Musique concrète und deren Pioniere Pierre Henry und Pierre Schaeffer in Szene zu setzen. Im Frühling 1953 besuchte er in New York Edgar Varèse, dessen Komposition "Déserts" ihn im Radio stark beeindruckt hatte. Im Winter 1954 belegte er Musikanalyse-Kurse bei Olivier Messiaen.
Von 1954 bis 1958 nahm er an den Darmstädter Ferienkursen teil, wo er Karlheinz Stockhausen, Luigi Nono, Bruno Maderna, Henri Pousseur und John Cage kennenlernte. 1958 nahm er Schaeffers Angebot an und begann mit ihm im Studio von Radio France zu arbeiten. Schaeffer, Ferrari, sowie später Bernard Parmegiani, François-Bernard Mâché und François Bayle taten sich damals zur Groupe de Recherches Musicales (GRM) zusammen.
Nach seinem Eintritt in die GRM produzierte Ferrari fünf elektroakustische Kompositionen im Stile von Pierre Schaeffer. Mit dem Werk "Hétérozygote (1963/64)" löste sich Ferrari von Schaeffers Konzept der Musique concrète und stellte ihr seine eigene Musique anecdotique entgegen.
Dabei wurden Naturgeräusche in einer organisierten und poetischen, aber nicht an einer Handlung orientierten Art und Weise strukturiert. Die kompositorische Arbeit dieser Soundscapes blieb an musikalischen Prinzipien orientiert und war damit klar vom Hörspiel getrennt. Auf der LP "Images Fantastiques (Electronic Experimental Music)" (Limelight, 1968) erschien sein Werk "Visage V".
Die anderen Stücke dieser LP stammten von Luciano Berio, Bruno Maderna, Iannis Xennakis, François Dufrêne und Jean Baronnet. Die erste LP mit eigenen Stücken war "Und So Weiter/Music Promenade" (Wergo, 1969). "Und so weiter" (1966) war ein Klavierstück, gespielt von Gérard Frémy. "Music Promenade" (1969) war eine für diese LP überarbeitete Vierkanal-Klanginstallation.
Das erwähnte Werk "Hétérozygote" wurde zusammen mit "J'ai été coupé" (1962/1969) auf einer LP (Philips, 1969) herausgebracht. Luc Ferraris wohl bekanntestes Werk ist "Presque rien No. 1 - Le Lever du jour au bord de la mer" (1967/1970), in welchem das morgendliche Erwachen eines Hafens an der dalamtinischen Küste eingefangen und zu einem 21-minütigen Hörstück zusammengeschnitten wurde.
Dabei verwendete er erstmals die damals neue Stereotechnik, die ihm nicht nur ein Rechts-Links der Klänge erlaubte, sondern auch eine Tiefenwirkung. Das Werk kam erstmals mit "Société II (Et Si Le Piano Était Un Corps De Femme)" auf einer LP (Deutsche Grammophon, 1970) heraus.
Die "Presque Rien"-Serie wurde später mit "Presque Rien N°2 - Ainsi continue la nuit dans ma tête multiple" (1977), "Presque Rien - Avec filles" (1989) und "Presque Rien N°4 La Remontée du village" (1990/1998) fortgesetzt. Alle vier Werke wurden später auf der CD "Presque Rien" (INA-GRM, 1995) bzw. auf der Doppel-LP "Presque Rien" (Recollection GRM, 2012) zusammengefasst.
Neben seinen Tonbandmusiken komponierte Luc Ferrari auch für konventionelle Instrumente und mischte die Genres miteinander. Bei Kooperationen mit jüngeren Musikern wurden jeweils die Grenze zur frei improvisierten Musik überschritten. Auf "Archives sauvées des eaux" (Angle, 2005) kam es zu einer Zusammenarbeit mit eRikm (3-k-pad-system).
Im Oktober 2003 hatte Otomo Yoshihide das von 2000 stammende Werk für CD und Vinylschallplatten ebenfalls aufgeführt. Der Konzertmitschnitt wurde unter dem selben Titel (Disc Callithump, 2008) heraus gebracht. Bei einem Festival im Mai 2005 hätte Ferrari zusammen mit eRikm auftreten sollen. Weil er krank war, trat Thomas Lehn (synth) mit eRikm auf.
Der Konzertmitschnitt wurde später als "Les Protorhythmiques" (Room40, 2007) auf einer CD zugänglich gemacht. Ferrari starb am 22. August 2005 in Italien an einer Lungenentzündung. Auf "Et tournent les sons" (Césaré, 2006) interpretieren das Ensemble Laborintus sowie eRikm (cd-player) Werke von Ferrari.
Ab 1960 schrieb er nicht weniger als 17 Soundtracks. Vom IRCAM-Zirkel von Pierre Boulez hielt sich Ferrari meist fern. 1964/65 und 1970 hatte Ferrari an der Musikhochschule in Köln unterrichtet, von1966 bis 1967 in Stockholm und von 1978 bis 1980 am Conservatoire de Pantin in Paris. Dazwischen amtierte er von 1968 bis 1969 als musikalischer Leiter des Maison de la Culture in Amiens.
Für den Service de la Recherche des O.R.T.F realisierte Ferrari 1965–66 mit Gérard Patris die Porträtfilm-Reihe "Les grand répétitions" über die Komponisten Messiaen, Stockhausen und Varèse, sowie den Dirigenten Hermann Scherchen und den Jazzpianisten Cecil Taylor. Viele dieser Vertreter der zeitgenössischen Musik waren dabei das erste Mal im französischen Fernsehen sehen.
1972 gründete er sein eigenes Studio "Billig". 1982 stellte er mit Unterstützung des französischen Kulturministeriums die Vereinigung "La Muse en Circuit" auf die Beine, die elektroakustische Musik förderte, von der er sich 1994 trennte. Im selben Jahr richtete er in Montreuil ein neues Studio Atelier "post-billig" ein, das er anschliessend nach Paris verlegte.
Luc Ferrari war verheiratet mit der Komponistin, Musikerin und Vokalistin Brunhild Meyer-Ferrari, einer Tochter des deutschen Klarinettisten und Komponisten Wolfgang Meyer-Tormin. Ferraris Schaffen ist auf rund 70 eigenen Alben dokumentiert. Viele seiner Werke wurden im Verlaufe der Jahre in Kombination mit jeweils anderen Stücken, wieder veröffentlicht. Eine umfasende Übersicht über sein Schaffen vermittelt das 10-CD-Set "L'Œuvre Électronique" (INA-GRM, 2009). 05/23