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Moondog

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Amerikanischer Komponist, geboren am 26. Mai 1916 in Marysville, Kansas, als Louis Thomas Hardin. Er war der Sohn eines reformierten Missionars und einer Lehrerin. Als 16-Jähriger verlor Moondog bei einer Explosion in Hurley, Missouri, sein Augenlicht, als er mit einer Dynamitkapsel hantierte, die bei einer Überschwemmung angespült worden war.



Er lernte Violine, Viola, Piano, Orgel, Chorgesang und Harmonielehre und studierte autodidaktisch weiter, indem er las, was ihm zum Thema Musik in Blindenschrift zugänglich war. Seine Gehörbildung perfektionierte er so, dass er musikalische Ideen direkt aus dem Kopf in die Blindenschrift umsetzen konnte.

 

Praktisch alle seine Kompositionen entstanden ohne Instrument. Den Namen "Moondog" legte er sich 1947 zu, nach seinem Blindenhund, der, so Hardin, "mehr als jeder andere Hund, den ich kannte, den Mond anheulte". 1943 zog er nach New York. Dort führte er zunächst ein "street life" als dichtender und musizierender Clochard.

 

Bis in die frühen 1970er Jahre war er meist an der Ecke 6th Avenue/ 54th Street anzutreffen, trug kleine Gedichte und Kompositionen zur Trommel oder auf einer Zither vor und verkaufte sie an Passanten. Fasziniert von der Lektüre der Edda, legte er sich eine Wikingerkluft zu.

 

Alte Fotos zeigen den Verehrer nordischer Mythologie mit wallendem Bart, weitem Umhang, langem Speer und gehörntem Helm. Von manchen Passanten wohl als exzentrischer Sonderling oder gar als Scharlatan beargwöhnt, von zahlreichen Künstlern aber hoch geachtet, wurde Moondog bald zu einer Art Institution im Strassenbild von Manhattan.

 

Zu den schönsten Anekdoten, die um ihn kursieren, gehört wohl jene, wonach das Hilton-Hotel in der "New York Times" Inserate schaltete, in denen es seine Adresse mit "gegenüber von Moondog" angab. Auch wenn Moondog auf der Strasse zu Hause war, war er kein sozial isolierter Stadtstreicher. Auf der Strasse lernte er Musiker der New Yorker Philharmoniker kennen, die ihn ihrem Dirigenten Artur Rodziński vorstellten.

 

Dieser lud Moondog ein, den Orchesterproben in der Carnegie Hall beizuwohnen, wo Moondog jahrelang ein und aus ging und viel über Orchestrierung lernte. Dabei machte er auch die Bekanntschaft von Arturo Toscanini, Igor Strawinski und Leonard Bernstein. Nach Rodzinskis Weggang 1947 war der skurrile Wikinger in der Carnegie Hall nicht mehr ganz so gern gesehen.

 

An seinen Strassenecken traf er mit Charlie Parker zusammen, der ihm vorschlug, gemeinsam eine Schallplatte einzuspielen. Dieses Unterfangen konnte aber durch Parkers plötzlichen Tod nicht in die Tat umgesetzt werden. Später weitete sich sein Bekanntenkreis auf Komponisten wie Terry Riley, Steve Reich und Philip Glass aus.

 

In den 1950er Jahren hatte Moondog erste Aufnahmen einspielen können, die auf Schellackplatten oder auf ersten Vinyl-Schallplatten erschienen. Eine davon war die 7"-EP "On The Streets Of New York" (Mars, 1955). Diese Stücke sowie weiteres Material, das zwischen 1954 und 1962 entstand, wurde später unter dem Titel "On The Streets Of New York" (Mississippi, 2020) zusammengefasst.

 

Mit Julie Andrews veröffentlichte Moondog 1955 bei "Angel Records" eine erfolgreiche Platte mit Kinderliedern. Diese Songs wurden später unter dem Titel "Songs Of Sense & Nonsense - Tell It Again" (Poppydisc, 2009) auf einer CD nochmals zugänglich gemacht.

 

Mit Charles Mingus bestritt er ein Konzert im Whitney Museum und mit Allen Ginsberg eine Dichterlesung. "Snaketime Series" (Moondog, 1956) hiess eine erste, in Eigenregie eingespielte LP. Sie wurde noch im selben Jahr unter dem Titel "Moondog" (Prestige, 1956) von einem grossen Label und später von vielen anderen Labels, teilweise unter anderen Titeln, neu aufgelegt.

 

"The Story Of Moondog" (Prestige, 1957) hiess die zweite LP für das berühmte Jazzlabel. "Moondog" (Esquire, 1958) war eine weitere LP. Ende der 1960er Jahre erhielt Moondog einen Vertrag von "Columbia". Mit einem grossen Orchester konnte er auf "Moondog" (CBS, 1969) endlich alle seine Ideen realisieren.

 

Anstatt daran anzuknüpfen, enthielt "Moondog 2" (CBS, 1971) dann nur noch Madrigale. "Columbia" machte darauf keine Promotion mehr für das Album und liess Moondog als Künstler fallen. Seine frühen Alben wurden im Verlaufe der Jahre immer wieder veröffentlicht.

 

Zudem wurden die frühen Schellack-Singles auf LPs und CDs zusammengefasst. Dann plötzlich war Moondog aus New Yorks Strassen verschwunden. Als er nicht wieder auftauchte, hielten ihn manche für tot. In einer TV-Talkshow bedauerte Paul Simon, dass eines seiner grossen musikalischen Vorbilder verstorben sei.

 

Doch tatsächlich war Moondog nach Deutschland gereist, wo er bei Tom "Tornado" Klatt in Marl in der Nähe von Recklinghausen wohnte. Dank ihm konnte Moondog beim Hessischen Rundfunk 1974 in Frankfurt zwei seiner Werke aufführen und bekam einen Vertrag mit "Roof Records". Später wohnte er in einem eigenen, kleinen Haus in Recklinghausen.

 

Um 1977 wurde er von der Studentin Ilona Goebel später Ilona Sommer, angesprochen und, zunächst nur für ein paar Tage, ins elterliche Haus nach Oer-Erkenschwick eingeladen wurde. Danach lebte er jahrelang als Gast dieser Familie.

 

Ilona Sommer redete ihm die Wikingerkluft aus und brachte ihn auf den Geschmack an einem mehr bürgerlichen Leben. Sie gab ihr Studium auf, nahm Moondog in ihre Obhut und machte das Haus zur kreativen Stätte zum Komponieren für Louis Hardin.

 

Sie lernte, seine Kompositionen aus der Blinden- in normale Notenschrift zu übertragen und begleitete Moondog bei all seinen Konzertauftritten. Sie gründete den Musikverlag "Managarm", in dem heute die meisten Moondog-Werke verlegt sind.

 

Ilona Goebel/Sommer behauptete später, Moondog mittellos auf deutschen Strassen aufgelesen zu haben. Dem widersprach Klatt in einem Leserbrief im "Wire" 2015 energisch. Auf "Kopf", einem Unterlabel von "Roof", erschienen bis in die 1990er Jahre weitere, zum Teil wiederveröffentlichte oder neue Aufnahmen.

 

Trotzdem blieb Moondog in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Moondog starb am 8. September 1999 83-jährig in Münster, Deutschland, an den Folgen eines Herzinfarktes. Moondogs Gesamtwerk umfasst Kompositionen wie Orchester- und Orgelwerke, Streichquartette, Madrigale oder Werke, die mehr in Richtung Jazz und Rock tendierten.

 

Moondogs Schaffen wurde auf fast 40 Alben, darunter mehreren Compilations, veröffentlicht.                                                     02/25

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