Deutscher Free Jazz-Saxophonist, Klarinettist, Tarogato-Spieler und Bandleader, geboren am 6. März 1941 in Remscheid, Nordrhein-Westfalen. Er lernte als Neunjähriger Klarinette zu spielen. Mit 17 Jahren begann er an der Werkkunstschule in Wuppertal ein vierjähriges Studium. Brötzmann wandte sich zuerst der Malerei zu und war Assistent des Künstlers Nam Jun Paik.
Auch später betätigte sich Brötzmann immer wieder als Zeichner und Maler. "Paintings And Objects" und "Wood And Water" (beide Corbett vs. Dempsey, 2010) hiessen zwei Bücher mit seinen Kunstwerken. Unzufrieden mit dieser Kunstrichtung begann er Ende der 1950er Jahre, Anfang der 1960er Jahre Musik zu machen.
1962 traf er auf Peter Kowald (b), der ihn vom Swing und Bop in eine freiere Art des Jazz' führte. Mit verschiedenen Schlagzeugern spielten Brötzmann und Kowald zuerst Kompositionen von Ornette Coleman und Charles Mingus nach, ehe sie John Cage, Karlheinz Stockhausen oder David Tudor die musikalische Freiheit entdeckten.
An der Seite von Don Cherry (p-tp) und Steve Lacy (ss) vollzogen Brötzmann und Kowald Mitte der 1960 Jahre endgültig den Schritt in Richtung Free Jazz. Später erschien mit "The Inexplicable Flyswatter/Works On Paper 1959-1964" (Atavistic, 2003) ein Buch und eine CD über die Ur-Zeit von Peter Brötzmann als Musiker.
Das Buch enthält rund 50 Reproduktionen von Brötzmanns Cover-Gestaltungen, Posters sowie von anderen Kunstwerken, dazu Interviews mit und Artikel über Peter Brötzmann. Die CD/CD-ROM zeigt Brötzmann in Trio- und Quartettaufnahmen von 1963/65 sowie in einer Fluxus-Performance aus der selben Zeit.
Dazu kamen Quartettaufnahmen von 1965 mit Horst Prehn (as), Peter Kowald (b) und Gerd Panzer (dm). 1965 begannen Brötzmann und Kowald regelmässig mit Sven-Åke Johansson (dm, perc) zu spielen. Im Juni 1967 spielte das Peter Brötzmann Trio mit "For Adolphe Sax" (Brö, 1967) eine erste Aufnahme ein.
Eine CD-Wiederveröffentlichung (Atavistic, 2002), die im Rahmen der "Unheard Music Series" erschien, enthielt einen Bonustrack mit Fred van Hove (p) als vierten Musiker. Peter Brötzmann veröffentlichte im Verlaufe seiner langen Karriere Dutzende weiterer Trioaufnahmen (siehe Peter Brötzmann in Trioaufnahmen).
Sein wichtigstes Trio war jenes mit Fred Van Hove (p) und Han Bennink (siehe Brötzmann/Van Hove/Bennink). Die beiden Trios Brötzmann, Kowald und Johansson bzw. Brötzmann, Van Hove und Bennink bildeten die Basis des Peter Brötzmann Octets. Dazu kamen Evan Parker und Willem Breuker (ts) sowie Buschi Niebergall (b).
Dieses Oktett nahm am Mai 1968 in der "Lila Eule" in Bremen mit "Machine Gun" (Brö, 1968) eine der ersten grossorchestralen Free-Jazz-LPs auf. Eine zuvor am 24. März 1968 am Frankfurt Jazz Festival live aufgenommene Version von "Machine Gun" mit Gerd Dudek (sax) als neunten Musiker erschien mit einer Tentett-Liveaufnahme vom 22. März 1970 später unter dem Titel "Fuck de Boere" (Atavistic, 2001).
Im zweiten Stück, das der 2001er CD den Titel gab, sind neben Brötzmann, Breuker, Parker, Niebergall, Van Hove und Bennink noch Malcolm Griffith (tb), Paul Rutherford (tb), Willem Van Manen (tb) und Derek Bailey (g) zu hören. Beide "Machine Gun"-Versionen sowie eine weitere Version wurden später auf der Doppel-CD "The Complete Machine Gun Sessions" (Atatvistic, 2007) ein weiteres Mal wieder veröffentlicht.
Brötzmann und einige seiner Mitmusiker waren in jener Zeit gegen Ende der 1960er Jahre auch auf anderen frühen europäischen Free Jazz-Aufnahmen vertreten, so auf "Globe Unity" (Saba, 1967) von Alexander von Schlippenbach (p) oder auf "European Echos" (FMP, 1969) von Manfred Schoof (tp). Brötzmann war dazu bei der Begegnung des Komponisten Krzysztof Penderecki mit Don Cherry & The New Eternal Rhythm Orchestras mit dabei, die auf der LP "Actions" (Philips, 1971) dokumentiert wurde.
Im April 1969 lud Brötzmann Parker, Bailey, van Hove, Niebergall und Bennink bzw. Van Hove, Niebergall und Bennink zu Sextett- und Quartettaufnahmen ins Studio, die als "Nipples" (Calig, 1969) erschienen. Von den selben Sessions stammte die Musik von "More Nipples" (Atavistic, 2003). Nach seinen ersten Oktett-Aufnahmen für "Machine Gun" stellte Brötzmann auch später grössere Formationen zusammen (siehe Peter Brötzmann in grösseren Ensembles). Dazu gehörte auch das Peter Brötzmann Chicago Octet/Tentet.
Septettaufnahmen von 1970 mit Evan Parker (ts, ss), Peter Bennink (as, bagpipes), Paul Rutherford (tb), Derek Bailey (g), Misha Mengelberg (p) und Han Bennink (dm) wurden erst später unter dem Titel "Groupcomposing" (ICP, 1978) zugänglich gemacht. Mit Juhani Aaltonen (ts, fl), Peter Kowald (b) und Edward Vesala (dm) als Co-Leader realisierte Brötzmann "Hot Lotta" (Blue Master, 1973).
Brötzmann veröffentlichte beginnend mit "Solo" (FMP, 1976) mehrere Soloaufnahmen (siehe Peter Brötzmann in Soloaufnahmen). Fast gleichzeitig setzte auch der Reigen von Duoaufnamen ein (siehe Peter Brötzmann in Duoaufnahmen). Ab Mitte der 1980er Jahre bildete er mit Sonny Sharrock (g), Bill Laswell (e-b) und Ronald Shannon Jackson (dm) das Free Noise-Quartett Last Exit.
Brötzmann spielte mit Manfred Schoof (tp, flh), Jay Oliver (b) und Willi Kellers (dm) "In A State Of Undress" (FMP, 1989) ein. Mit Shoji Hano (dm) tat sich Brötzmann zu mehreren Aufnahmen zusammen. "Dare Devil" (DIW, 1992) war eine Quartettaufnahme mit Tetsu Yamauchi (e-b) und Haruhiko Gotsu (g) als weitere Musiker. Mit anderen japanischen Musikern, mit Yukihiro Isso (fl), Tamio Kawabata (b) und Ryojiro Furusawa (dm), nahm Brötzmann "Vier Tiere" (Clockwise, 1994) auf.
Ab Mitte der 1990er Jahre trat Brötzmann mitToshinori Kondo (tp, elect), William Parker (b) und Hamid Drake (dm) als Die Like A Dog Quartetauf. Hairy Bones nannte sich später die Nachfolge-Gruppe von Brötzmann und Kondo mit Massimo Pupillo (e-b) und Paal Nilssen-Love (dm). Ohne Kondo spielten Brötzmann, Pupillo und PNL als Trio Roma.
Auf "Stalker Songs" (CIMP/Cadence, 1998), einer weiteren Aufnahme mit Thomas Borgmann (ts, ss, sops), wurden die Saxophonisten von Wilber Morris (b) und Denis Charles (dm) begleitet. Später folgte "The Cooler Suite" (Grob, 2003) mit William Parker (b) und Rashid Bakr (dm) als Mitmusiker von Brötzmann und Borgmann. Das Frode Gjerstad Trio lud Brötzmann für die Aufnahmen von "Sharp Knives Cut Deeper" (Splasc(h), 2003).
Brötzmann, Joe McPhee (as, ts, tp), Kent Kessler (b) und Michael Zerang (dm) waren die Co-Leader auf "Tales Out Of Time" (hatOLOGY, 2004) und "Guts" (Okka Disk, 2006). Später nannte sich diese Gruppe The Damage Is Done Quartet, ohne dass weitere eigene Aufnahmen erschienen. Eine Begegnung mit den Bay Area-Musikern Marco Eneidi (as), Lisle Ellis (b) und Jackson Krall (dm) nannte sich "Live At Spruce Street Forum" (Botticelli, 2004).
Ein Treffen mit Alan Wilkinson (as, bars), Simon H. Fell (b) und Willi Kellers (dm) als Begleiter wurde auf "One Night At Burmanstofts" (Bo Weavil, 2007) dokumentiert. In Jemen trafen er und Michael Zerang (dm) auf einheimische Musiker. Unter dem Projektnamen Berg- und Talfahrt entstand die CD "A Night In Sana'a: Live At Deutsches Haus" (Armbruster, 2010).
Eine chinesische Produktion stellte das CD/DVD-Set "China Live 2011: In Beijing" (JazzHus, 2012) dar. Brötzmann traf dabei auf das Improvising Ensemble of Qianxingzhe mit Li Tiequiao (as, fl), Xu Fengxia (zither, sanxian, vcl) und Kristian Mondrup Nielsen (dm).
Das Unlimited Festival 2011 im österreichischen Wels war ganz Peter Brötzmann gewidmet, der mit diversen Formationen auftrat. Teile davon wurden für das 5-CD-Set "Long Story Short: Live At Unlimited Festival, Wels, Austria, 2011" (Trost, 2013) mitgeschnitten. CD 1 enthielt Aufnahmen des Saxophontrios Sonore mit Brötzmann/Ken Vandermark/Mats Gustafsson, des Chicago Tentets, des Trios Michiyo Yagi (koto), Okkyung Lee (cello) und Xu Fengxia (guzheng) sowie des Trios Brötzmann, Masahiko Satoh (p) und Takeo Moriyama (dm).
Auf CD 2 waren das Quartett Joe McPhee (tp, sax), Maallem Mokhtar Gina (guembri), Fred Lonberg-Holm (cello) und Michael Zerang (dm), das Trio Brötzmann, Michiyo Yagi (koto) und Tamaya Honda (dm), das Trio Brötzmann, Jason Adasiewicz (vibes) und Sabu Toyozumi (dm) sowie das Trio Dieb 13 (tt), Mats Gustafsson (reeds, elect) und Martin Siewert (g, elect) zu hören.
CD 3 dokumentierte einen Soloauftritt von Keiji Haino (g, vcl) sowie einen längeren Track des Quartetts Brötzmann, Bill Laswell (e-b), Maallem Mokhtar Gania (guembri) und Hamid Drake (dm). CD 4 zeigt das Sextett Jeb Bishop (tb), Joe McPhee (tp, sax), Mars Williams (reeds), Jason Adasiewicz (vibes) und Kent Kessler (b).
Dazu kamen Stücke von Hary Bones, solche von von Masahiko Satoh (p) solo und weitere Musik des Chicago Tentets, dieses Mal mit Michyo Yagi (koto) als Solistin im "Concert For Fukushima". Diese Aufnahmen kamen auch separat auf einer DVD (Trost, 2013) heraus.
CD 5 zeigt Peter Brötzmann im Trio mit Eric Revis (b) und Nasheet Waits (dm) und das DKV Trio mit den Gästen Mats Gustafsson (reeds), Massimo Pupillo (e-b) und Paal Nilssen-Love (dm). Dazu fanden sich darauf Tracks von Full Blast mit Brötzmann, Marino Pliakas (e-b) und Michael Wertmüller (dm) und solche von Caspar Brötzmanns Massaker.
"Mental Shake" (Otokorku, 2014) war eine Quartettaufnahme mit Jason Adasiewicz (vibes), Steve Noble (b) und John Edwards (dm). Im Big Bad Brötzmann Quintet tat sich Brötzmann mit Oliver Schwerdt (p, perc, little instr), John Eckhardt und John Edwards (b) sowie mit Christian Lillinger (dm, perc) zusammen, um mit "Karacho!" (Euphorium, 2019) ein Album einzuspielen.
Nur mit Schwerdt und Lillinger bzw. als Big Bad Brötzmann Trio entstand die Mini-CD "Biturbo!, Capt'n" (Euphorium, 2019). Mit Tony Malaby (ts) traf Brötzmann auf "La Vigillia de las Flores" (Matik-Matik und Festina Lente, 2022) auf die kolumbianische Gruppe Los Toscos. Peter Brötzmann starb am 22. Juni 2023 im Alter von 82 Jahren in Wuppertal.
Brötzmann war Mitglied von The Wild Mans Band und hinterliess auch Spuren auf Aufnahmen von Thomas Borgmann Trio, Charles Hayward, Zlatko Kaučič, Haazz & Company, Das Pferd, Phil Minton, Hugh Davies, B-Shops For The Poor, Ekkehard Jost, Sprawl, Fushitsusha, Edward Vesala, Jörg Fischer, Tom Raworth, Jonas Hellborg, Heiner Goebbels, Oxbow, Black Bombaim, Miklós Szilveszter, Bodaboda Duo, Konstrukt und anderen.